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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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gehalten und den Gesandten und mich zu einem Treffen der Royal Society eingeladen.
    »Normalerweise sind nur Mitglieder zugelassen«, erzählt er uns, als wir am späten Vormittag in einer Droschke durch die überfüllten Straßen Londons fahren, »aber ich habe mit Sir Christopher gesprochen, und er hat mir zuliebe für heute eine Ausnahme gemacht. Wenn Ihr länger in London bleibt und es Euch gefällt, könnten wir Euch vielleicht eine Ehrenmitgliedschaft anbieten.«
    Ben Hadou ist über diesen Vorschlag sehr begeistert und legt eine Leidenschaft für die Wissenschaften an den Tag, die ich bei ihm niemals vermutet hätte. Er fragt Mr. Pepys ausführlich nach der Geschichte der Royal Society und deren wichtigsten Mitgliedern, und Mr. Pepys steht ihm bereitwillig Rede und Antwort. Die fremden Namen huschen an mir vorbei, ohne eine Spur zu hinterlassen. Ich bin so ruhig und heiter wie ein von einer Welle überspülter Sandstrand. Es kommt mir vor, als hätte mich die Welt geküsst, abgesehen von dem verdammten Zahn. Sogar die Stadt, durch die ich fahre – mit ihrem Schmutz und Schlamm, den Bettlern und Ausrufern, dem Gestank nach Fisch und Pferdemist –, erscheint mir plötzlich angenehmer als je zuvor, obwohl sich der Himmel sichtbar verdunkelt hat und ein leichter Nieselregen fällt. Ich lächele nachsichtig beim Anblick einer Gruppe von Männern, die in einer Ecke in ein Gespräch vertieft sind, doch meine Ruhe wird erschüttert, als urplötzlich ein Streit ausbricht, sie mit gezückten Messern aufeinander losgehen und sogar Blut fließt. Mr. Pepys reckt den Kopf aus dem Fenster und ruft seinem Kutscher etwas zu, der daraufhin dreimal laut in eine Trillerpfeife bläst. »So, das wird den Kerlen Beine machen«, verspricht er. »Keine Sorge, meine Freunde, die Wache sorgt gleich für Ruhe und Ordnung.«
    Gresham College liegt an der breiten Straße von Holborn. Durch eine Kolonnade, die um einen hübschen, mit Rasen und Bäumen bepflanzten Innenhof herumführt, gelangen wir in den Versammlungssaal und werden von zwanzig oder dreißig strengen Gentlemen mit Perücken empfangen, unter denen ich fünf oder sechs Höflinge wiedererkenne. Der Vorsitzende, Sir Christopher Wren, ein arroganter Mann mittleren Alters, heißt uns willkommen, obgleich sein Lächeln gekünstelt wirkt. »Wie ich höre, ist Eure Gesandtschaft das Ereignis des Jahres«, sagt er leicht spöttisch und wendet sich dann ab, um sich mit Mr. Evelyn zu unterhalten.
    Nach dieser Brüskierung ist al-Attar ziemlich ernüchtert, doch er taut wieder auf, als man ihn Mr. Deane vorstellt, der ihm zu seinen Reitkünsten gratuliert und einiges zur Kürze der verwendeten Steigbügel im Hinblick auf Druck und Geschwindigkeit anzumerken hat.
    Man zeigt uns einen lebendigen Skorpion, der in einem Londoner Ölgeschäft gefunden wurde. Ben Hadou und ich sehen uns an. Wenn die versprochenen Wunder dieser Art sind, haben wir einen langweiligen Tag vor uns. Als Nächstes gilt es, mehrere in Bernstein eingeschlossene Insekten zu bewundern. Auch das ist für uns nichts Neues. Zidana hat eine Halskette mit einer großen Spinne, die für immer in dem duftenden Harz gefangen ist. Häufig sitzt sie genau auf ihrem Kehlkopf.
    Es folgt ein langer Vortrag in lateinischer Sprache, von dem weder der Gesandte noch ich ein Wort verstehen, doch es scheint um die Eigenschaften verschiedener Substanzen und Materialien zu gehen, darunter Gold und Silber, Wasser und Pelz, Bienen und Blätter, die anschließend mithilfe eines eigentümlichen Instruments gründlich untersucht werden. Es besteht aus einem langen, verzierten Rohr mit einer runden Glaslinse. Man lädt ben Hadou ein, einen Blick auf die Mundwerkzeuge einer Biene zu werfen, der angesichts der Ungeheuerlichkeit, die er dort sieht, erschrocken zurückfährt, was allgemeine Belustigung auslöst. Ich entscheide mich für das Blatt, das besser zu meiner Laune passt, und werde mit einem herrlichen Muster aus glänzend grünen und gelben Farben belohnt, die von den durchsichtigen Blattadern durchzogen sind. Die Erfahrung ist fast berauschend, und als ich mich wieder aufrichte, bin ich überwältigt und fühle mich schwindelig, als hätte man mir Einblick in eine bis dahin unbekannte Welt gewährt.
    Ben Hadou, der sich unterdessen von dem Schrecken über das plötzlich auf Riesengröße gewachsene Insekt erholt hat, besteht darauf, alles zu untersuchen, was sich auf dem Tisch befindet, einschließlich seines eigenen Fingers, und

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