Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
kräht er munter und klopft Mr. Draycott auf den Rücken. »Und alles nur wegen seiner Tinktur, die ich jeden Tag einnehme. Hättet Ihr mich vor fünfzehn Jahren gesehen, Ihr hättet mich nicht wiedererkannt, so sehr hatte ich damals schon abgebaut, doch diese Tinktur aus Heilkräutern hat das Fleisch auf meinen Knochen gestrafft und meine Muskeln biegsam gemacht, und was mein Haar angeht, Sir, nun, zieht mal daran. Tut Euch keinen Zwang an, zieht kräftig.«
Vorsichtig ziehe ich an seiner Perücke und stelle verwundert fest, dass die üppigen Locken fest in der Kopfhaut verwurzelt sind.
»Seht Ihr? Es ist mir ein Rätsel, wieso er nicht längst berühmt geworden ist.«
Mr. Draycott errötet. »Aber Elias, ich bin kein Wunderdoktor, ich habe nur ein altes Rezept verfeinert. Seit langer Zeit weiß man, dass Primum Ens Melissae ein außerordentlich wirksames Tonikum ist, das Frauen ebenso guttut wie Männern.«
»Er hat es seiner Magd Agnes zu trinken gegeben«, vertraut mir Mr. Ashmole an, »sie ist über sechzig und war so kahl wie ein Ei …«
»… worüber sie gar nicht erfreut war!«
»Doch dann wuchs ihr neues Haar, das genauso schwarz glänzte wie in ihren jungen Jahren, und zwei Jahrzehnte nach ihrer letzten Menstruation kehrte die monatliche Regel wieder zurück. Letztes Jahr hat sie einen gesunden Jungen zur Welt gebracht, und wenn das kein Wunder ist, dann weiß ich nicht, was überhaupt eins ist.«
Ein prickelndes Gefühl läuft mir über Nacken und Rücken. Habe ich Zidanas Elixier gefunden? Es scheint zu schön, um wahr zu sein, doch während die beiden erzählen, festigt sich meine Überzeugung. Fazit: Ich lasse mir die Zähne von dem Alchemisten behandeln, was am Ende nicht einmal so unangenehm ist, wie ich befürchtete, und kann sogar ohne Schmerzen ein kärgliches Mahl aus Bohnensuppe, kaltem Lammfleisch und Brot mit den Gentlemen teilen, während ich über meinen nächsten Schritt nachdenke. Als ich aufbreche, ist es bereits dunkel. Über der Schulter trage ich einen Stoffbeutel mit dem versprochenen Vergrößerungsglas und einem Fläschchen, das mit einem Korken verschlossen ist und eine gelbe Flüssigkeit enthält, die so hell ist wie die Sonne.
Mr. Ashmole besteht darauf, mich bis Whitehall zu begleiten. »Es liegt auf meinem Weg nach Lambeth, außerdem kann ich vielleicht die maurischen Sporen mitnehmen, die mir der Gesandte heute Morgen freundlicherweise im Austausch für das Vergrößerungsglas versprach.«
Während wir durch Temple Gardens gehen, fällt der Mondschein durch eine Lücke in den Wolken auf den Fluss und überzieht ihn mit einem quecksilbrigen Glanz. Im Überschwang meines unermesslichen Glücks denke ich, dass ich noch nie einen schöneren Anblick gesehen habe, als uns plötzlich Räuber den Weg versperren. Zwei kräftige Burschen, die ihre Gesichter vermummt haben, um nicht erkannt zu werden.
»Rück den Beutel raus, du schwarzer Hundesohn!«, brüllt mich der eine an.
Und der andere knöpft sich Mr. Ashmole vor: »Her mit dem Geld und allen Wertsachen, die du bei dir trägst!«
Sie kommen näher, sie schwingen ihre Knüppel, und der eine schlägt Mr. Ashmole zu Boden. Als ich ihm zu Hilfe eilen will, trifft mich der Knüppel des anderen mit voller Wucht in die Magengrube, sodass mir die Luft wegbleibt. Er versucht, mir den Beutel abzunehmen, doch ich halte ihn hartnäckig fest. Ein Fehler, denn der nächste Schlag wirft mich um, wobei ich dummerweise auf dem Beutel lande und das unverwechselbare Klirren zerbrochenen Glases höre, als ich mich herumwälze. So aufgebracht bin ich über den Verlust des wertvollen Vergrößerungsglases, dass ich mit einem Satz aufspringe. Als der Angreifer erneut auf mich zukommt, packe ich seinen Knüppel und reiße ihn ihm mit einer Wucht aus der Hand, die ihn aus dem Gleichgewicht bringt. Danach verpasse ich ihm einen Tritt, sodass er einen Purzelbaum auf dem Rasen schlägt und anschließend gegen einen Baumstamm prallt. Ich blicke mich um und sehe, wie Mr. Ashmole mit seinem Gehstock auf den zweiten Übeltäter eindrischt. Als der Wegelagerer bemerkt, dass ich mit dem Knüppel in der Hand auf ihn zukomme, macht er sich fluchend davon. Einen Augenblick später rappelt sich auch sein Komplize auf und humpelt hinter seinem Gefährten her.
»Alles in Ordnung, Sir?«
Mr. Ashmole betrachtet einen Riss in seinem Mantel. »Einer meiner besten Anzüge, verdammte Mistkerle. Doch davon abgesehen habe ich keinen Schaden davongetragen. Und
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