Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
kann und meinen Unterstand aufgeben muss. Ich glaube, die Frau gesehen zu haben, die beim Abendessen der Herzogin neben ben Hadou saß. Ja, und neben ihr die Herzogin Mazarin. Ihr auffälliges Gesicht ist von einer Masse schwarzer Locken umrahmt, die aus ihrer Haube lugen, und begleitet wird sie von ihrem Diener Mustafa, dessen purpurner Brokat unter einem schwarzen Umhang hervorleuchtet. Ihre Erscheinung ist dermaßen erstaunlich, dass ich fast einen besonders prächtigen Vierspänner übersehe, aus dem zwei fabelhaft gekleidete, mit riesigen Regenschirmen herumfuchtelnde Diener und drei Frauen steigen. Eine ist sehr dick und ihr Kleid so weit wie ein Sofa. Dann erhasche ich auch einen kurzen Blick auf Momo, er trägt einen goldenen Anzug mit Spitzen und wird von den Frauen hastig in das Gebäude geführt.
Innerlich fluchend laufe ich über den Kutschenplatz und die Treppen hinauf, hinter ihnen her, doch am Eingang hält man mich an: Ich muss Eintritt bezahlen. Während ich mit der ungewohnten Währung hantiere, vergehen weitere kostbare Sekunden, sodass ich dem Mann schließlich eine Hand voll Münzen in die Hand drücke. Im Saal herrscht Chaos. Das Foyer wimmelt von Menschen, und obwohl ich einen Kopf größer bin als die meisten, nehmen mir die lächerlichen Perücken und die vielen Straußenfedern die Sicht. Endlich entdecke ich Mustafa und dränge mich bis zu ihm vor. Wir schauen uns in die Augen.
»Senufo?«, fragt er und neigt abschätzend den Kopf auf die Seite.
Ich nicke. »Asante?«
»Dagomba«, erklärt er. Seine Stammeszeichen sind vertikale kleine Narben, die wie Tränen an seinen Wangen hinablaufen.
»Kannst du mir helfen? Ich suche eine Frau, Mrs. Herbert, sie hat einen kleinen Jungen bei sich.«
In seinem Gesicht flackert Verachtung auf. »Sie hat eine Loge im ersten Rang.«
Als ich mich bedanke und auf die Treppe zugehe, hält er mich am Arm fest. »Komm mit uns. Wenn ich gleich mit meiner Herrin nach oben gehe, schließt du dich einfach an. Es wird ein ziemliches Gedränge geben. Mrs. Behn begleitet uns.«
Mrs. Behn ist von einer großen Menschenmenge umgeben, die gekommen ist, um Glückwünsche zu überbringen und mit der Autorin des Stücks gesehen zu werden. Schließlich rauscht die Herzogin Mazarin herbei wie eine Galeone und nimmt sie mit. Wir steigen eine schmale Treppe zum ersten Rang hinauf und betreten ihre Loge, ohne dass mich jemand aufhält. Aus dieser Höhe kann ich den ganzen Theatersaal überblicken – von den Rängen mit den privaten Logen bis zum Parkett unten, wo maskierte Frauen zwischen dem einfachen Volk sitzen. Der Rang ist hervorragend ausgestattet, Plüschsessel und vergoldete Engelchen überall, doch all das nehme ich nur bruchstückhaft wahr, als ich zwei Logen weiter Momo entdecke, in Begleitung einer mit viel Schmuck behängten Frau, vermutlich Mrs. Herbert, zweier schlankerer und jüngerer Frauen, die genauso aussehen wie sie, sicher ihre Töchter, und zweier Diener in Livree. Momo hat nur Augen für den kleinen Welpen, den er auf dem Arm hält. Beide tragen passende, mit Diamanten besetzte Halsbänder.
Die Musiker in der Orchesterversenkung stimmen eine Fanfare an. So unauffällig wie möglich löse ich mich aus dem Gefolge der Herzogin und trete in den schmalen Gang hinaus, durch den man in die anderen Logen gelangt. Ich öffne die zweite Tür und werfe einen Blick hinein. Augenblicklich stellt sich mir ein Diener in den Weg, der höchst beunruhigt wirkt. »Ich warne Euch, ich bin bewaffnet.«
»Ich habe etwas mit Mrs. Herbert zu besprechen. Es dauert nur einen Augenblick.«
»Sir, ich bitte Euch, geht. Das Stück fängt gleich an.«
In der Tat. Ich sehe, wie vier bunt gekleidete Adlige auf die Bühne treten und ihre Posen einnehmen. Ihnen folgt ein Lakai mit einem Mantel in den Händen. Als sie zu sprechen beginnen, riskiert der Diener einen kurzen Blick, das ist der Augenblick, den ich nutze, um mich an ihm vorbeizudrängeln. »Mrs. Herbert …«
Eine ihrer Töchter schreit bei meinem Anblick auf, doch das geht in dem allgemeinen Lärm unter. Die Zuschauer haben bereits begonnen, die Schauspieler anzufeuern, sie buhen den strengen Onkel aus und jubeln dem nichtsnutzigen Neffen zu. Die andere Tochter versteckt sich hinter ihrem Fächer.
»Verschwinde, du Rüpel!«, schreit Mrs. Herbert und greift nach den Juwelen, die sie am Hals trägt. »Du wirst mich doch nicht ausrauben wollen, hier vor aller Augen!«
»Ich bin kein Dieb, Madame. Ich bin wegen des
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