Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
einzelne Worte auf, während ich mich im Raum umsehe – »Erträge«, »Waren«, »Bestände«, »Margen«. Es ist die Sprache des Marktes, doch offenbar geht das einzige Geld, das hier den Besitzer wechselt, für Essen und Getränke drauf, die in dem Etablissement serviert werden. Ich frage einen Burschen mit Schürze, der ein Tablett voller Kaffeebecher trägt, wo ich Mr. Lane finde, und muss dabei gegen den Lärm anschreien.
»Dort drüben«, er zeigt auf eine Ecke am anderen Ende des Raums. »Er sitzt dort mit Mr. Hyde, dem Vertreter der Royal African Company des Herzogs von York.«
Mit einiger Mühe bahne ich mir einen Weg zu ihnen und warte eine Weile, bis die Herren Notiz von mir nehmen, so sehr sind sie in ihre Geschäfte versunken. Schließlich sieht der mit der hellbraunen Perücke auf. »Wir werden schon bedient, danke«, sagt er und wendet den Blick ab.
Sein Partner trägt ein blaues Samtjackett, das mit kostbaren Brustschnüren verziert ist, und betrachtet mich neugierig. »Er arbeitet nicht hier, Thomas, nicht in dieser orientalischen Aufmachung, es sei denn, es ist ein Trick, um eine neue türkische Kaffeesorte anzupreisen. Gehört er vielleicht zu deinen Leuten?«
Thomas dreht sich um, sieht mich von oben bis unten an und runzelt die Stirn: »Du gehörst doch nicht zu meinen Leuten, oder? Was willst du?«
Ich erkläre, dass ich ein Kind suche, das bis heute Morgen bei der Herzogin von Portsmouth gearbeitet hat.
»Ach, Louises kleiner Mohrenkopf. Was ist mit ihm?«
»Ich würde den Jungen gerne kaufen.«
Daraufhin brechen beide in Gelächter aus. »Willst du uns Konkurrenz machen, indem du deine eigenen Verwandten verkaufst?«
»Ich gehöre der marokkanischen Gesandtschaft an. Es hat einen unglücklichen Irrtum gegeben. Der Junge wurde versehentlich verkauft.«
»Das war alles andere als ein Versehen, ich habe ihr einen äußerst fairen Preis bezahlt!«
Der andere Mann, Mr. Hyde, wirft mir einen misstrauischen Blick zu. »Du kommst aber doch nicht aus Marokko, nicht wahr? Ich meine ursprünglich. Woher stammst du?«
Ich sage es ihm, und er lächelt wissend. »Ah, ich hatte schon befürchtet, die African Company hätte eine Goldmine übersehen, Burschen in deiner Größe. Aber nein, diese Region haben wir abgedeckt. Gut zu wissen.«
Ich begreife nicht ganz, was er damit meint, doch es riecht nach Sklaverei, und das macht ihn zum Teufel und den Mann neben ihm zu einem weiteren Händler des Elends. Der Gedanke, einen von ihnen noch mehr zu bereichern, widert mich an, aber ich muss Momo retten.
Erneut wende ich mich an Mr. Lane. »Egal, was Ihr der Herzogin gegeben habt, ich zahle mehr, es soll Euer Schaden nicht sein.«
Er breitet die Arme aus. »Ich fürchte, du kommst zu spät. Ich hatte bereits einen Kunden für ihn und habe den kleinen Mohren heute Morgen verkauft, an Mrs. Herbert. Sie suchte etwas Spezielles, mit dem sie heute Abend bei der Premiere von The City Heiress glänzen kann.«
Eine Stunde später habe ich es geschafft, durch ganz London bis zum Dorset Garden Theatre am Flussufer südlich der Fleet Street zu laufen. Das Pech klebt mir immer noch an den Fersen; kaum verlasse ich das Kaffeehaus, fängt es an zu gießen. Als ich mein Ziel erreiche, klebt der Burnus an meiner Haut, und der Turban fühlt sich doppelt so schwer an wie sonst. Im Schutz eines Baumes wringe ich das jämmerliche Ding aus und wickle es mir erneut um den Kopf, während ich gleichzeitig beobachte, wie die Kutschen ankommen und ihre Fahrgäste aussteigen lassen. Obwohl es erst vier Uhr nachmittags ist, brennen bereits Fackeln, denn es ist furchtbar dunkel. Im flackernden Licht habe ich einen guten Blick auf die Theaterbesucher. Die gewöhnlichen Droschken kann ich ignorieren; eine Frau, die ein schwarzes Kind als Accessoire für einen Theaterbesuch kauft, wird wahrscheinlich in einem prächtigen Gefährt vorfahren. Trotz des schlechten Wetters sind Unmengen von Menschen gekommen. Bald wimmelt es auf dem Platz vor dem Theater von Kutschen, und ich beäuge sie wie ein Falke, doch von Momo keine Spur. Ich sehe nur maskierte Frauen und Herren mit gepuderten Perücken. Dann treffen drei goldene Kutschen gleichzeitig ein und spucken einen Haufen von reich gekleideten Passagieren aus – Straußenfedern und gestreifte Seide –, die eilig die Treppenstufen ins Theater hinaufsteigen, um dem Regen zu entkommen. Es herrscht ein derartiges Gewühl, dass ich durch die vielen Räder und Pferde nicht mehr hindurchsehen
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