Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Momo, lauf ins Theater zurück!«
Ich gebe ihm einen leichten Schubs, und er rennt los, an dem Konvertiten vorbei, der flucht und hinter ihm herlaufen will, während sein Messer in der Dunkelheit aufblitzt. Doch im gleichen Moment stürze ich mich von hinten auf ihn, und wir gehen beide zu Boden und landen auf den Müllbergen. Er wälzt sich herum, packt mich und hält mir das Messer an die Kehle, wir kämpfen auf dem Boden liegend zwischen Fäkalienhaufen und faulen Gemüseabfällen. Dabei löst sich mein Turban und verhaspelt sich um die Hand mit dem Messer, Hamza flucht und versucht, sich zu befreien. Ich ziehe den Turban wieder zurück und schlage ihm mit voller Wucht die Faust ins Gesicht, wobei ich bewusst auf seine gebrochene Nase ziele. Er brüllt, Blut spritzt auf unsere Kleider, doch er lässt die Waffe nicht los. Es gelingt mir, die restlichen Fetzen des Turbans, die mir die Sicht nehmen, abzuschütteln und ihm einen wuchtigen Schlag auf den Arm zu verpassen. Er schreit auf und lässt das Messer fallen, das noch ein Stück weiter über das dunkle Pflaster rutscht. Ich hebe es auf und spüre einen Anflug von Triumph, als meine Hand es umklammert, doch dann versetzt mir Hamza einen Schlag auf das Ohr, plötzlich ist die ganze Welt rot und brüllend laut, ich kippe zur Seite und lasse das Messer fallen.
Genau in diesem Augenblick der Unachtsamkeit trifft mich sein Stiefel in die Magengrube, ich würge und ringe nach Luft. Maleeo , was für ein Schmerz! Doch als er ausholt, um erneut zuzutreten, bekomme ich glücklicherweise seinen Stiefel zu fassen. Ich drehe ihn um, und er fällt neben mir zu Boden. Doch er ist hart im Nehmen, im Straßenkampf geübt, zudem scheint ihm das Glück hold zu sein, denn im Nu ist er wieder auf den Beinen und hält das Messer in der Hand. Ich rappele mich auf, und wir umkreisen uns wie zwei Kampfhunde, knurren in unserer jeweiligen Muttersprache, schnappen bedeckt von Unrat nach Luft, und die ganze Zeit gießt es wie aus Kübeln.
Er wechselt das Messer von einer Hand in die andere. »Hals oder Bauch, Eunuch?«, krächzt er. »Schnell oder langsam? Ich kann mich nicht ent…«
Ohne das Wort zu Ende zu sprechen, stürzt er sich plötzlich auf mich, und als ich seiner Klinge ausweichen will, rutsche ich auf einem Haufen Gemüse oder Schlimmerem aus, und das Messer trifft mich an der Schulter. Ich wirbele herum, aber er stürzt sich mit einem gewaltigen Sprung auf mich, presst mich gegen die Wand und hält das Messer an meine Rippen.
Seine hervortretenden Augen blitzen mich durch eine blutige Maske an. »Du dämlicher Neger! Jetzt werde ich dich töten müssen, dabei hättest du nur wegzulaufen brauchen …«
Das Messer dringt durch den Stoff meiner Robe, ich krümme mich und spüre etwas Kaltes, Scharfes auf der Haut, einen Vorgeschmack auf den Tod. Was für eine erbärmliche, schmähliche Art zu sterben, in einer schmutzigen Londoner Gasse, weitab von zu Hause und jedweder Hilfe. Er holt erneut mit dem Messer aus, doch dann schreit er laut auf, blickt an sich herunter und schüttelt das Bein. Irgendetwas flitzt davon, ein kleiner Teufel mit blutbeschmiertem Mund. Er grinst, seine Zähne sind rot vor Blut, und einen Moment lang denke ich, es sei Amadou, der von den Toten auferstanden ist und seinen Mord rächen will, doch als ich den goldenen Anzug mit den Spitzen erkenne, weiß ich, dass es Momo ist. Und dann löst sich ein großer Schatten aus der Dunkelheit und schleudert den Konvertiten und sein Messer in unterschiedliche Richtungen. Hamza prallt gegen die Wand und gleitet an ihr hinunter, mit ausgestreckten Beinen. Er hustet und flucht, versucht aufzustehen, doch der Schatten setzt ihm einen Fuß auf die Brust, beugt sich hinab, schlitzt ihm eiskalt den Hals auf und springt einen Schritt zurück, um dem plötzlichen Blutstrahl auszuweichen. Danach wischt er sein Messer an dem Mantel des Konvertiten sauber, steckt es in seinen Gürtel und dreht sich um.
Ich wusste immer, dass ich Hamza eines Tages würde töten müssen, doch jetzt, als er so effizient vor meinen Augen ins Jenseits befördert wird, bin ich schockiert. Schließlich platze ich heraus: »Warum?«
Mustafa mustert mich einen Augenblick unergründlich und zuckt dann die Achseln. »Ich hatte das Theater bereits verlassen, um dich zu suchen, als ich den Jungen zurücklaufen sah. Und er erzählte, ein böser Mann wolle dich töten.«
Momo klammert sich fest an mein Bein. »Ich habe ihn gebissen, Nus-Nus, hast du
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