Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
aufgeregt, um sich zu verbeugen. Stattdessen fragt er: »Wo sind deine Juwelen?«
Der König lacht laut auf. Dann erklärt er ihm: »Man braucht keine Juwelen, um König zu sein, junger Mann.«
Momo denkt einen Augenblick nach, dann nimmt er Mrs. Herberts mit Diamanten besetztes Halsband ab, das ich in meinem Bemühen, ihn unversehrt hierherzubringen, völlig übersehen habe, und reicht es mit ernster Miene dem König. »Dann brauche ich das auch nicht«, sagt er, ganz wie ein König. Anschließend leert er die Taschen seines mit Spitzen verzierten Anzugs, fördert eine Perlenbrosche zu Tage, ein Paar mit Diamanten besetzte Ohranhänger und eine Goldkette mit einem Kreuz.
Ich bin entsetzt. »O Momo …«
König Karl hebt die schwarzen Augenbrauen. »Nun, da hast du aber ganz schön Beute gemacht. Weißt du, was in meinem Königreich mit Dieben geschieht?«
Momo schüttelt verwundert den Kopf. »Ich habe sie nicht gestohlen«, erwidert er unbekümmert. »Ich passe nur auf sie auf. Und jetzt brauche ich sie nicht mehr. Wenn du der König bist, gehören sie dir. In Marokko besitzt der Sultan alles, was sich in seinem Reich befindet.«
»Ist das wahr?«
»Ja, das hat Papa immer gesagt. ›Alles, was du siehst, Momo, gehört mir. Alle Menschen und das, was sie besitzen, gehört mir. So ist es, wenn man König ist.‹«
Der König lächelt ironisch. »Potztausend, dein Urgroßvater hätte dich ins Herz geschlossen.«
Ich runzele die Stirn. »Urgroßvater?«
»Ja, mein Vater, König Karl I.«
Ich bin verwirrt. »Ich fürchte, der Urgroßvater des Jungen ist schon vor langer Zeit in Den Haag gestorben, in den Niederlanden.«
»Zugegeben, es ist sehr lange her, dass ich im Exil in dieser Stadt lebte. Mehr als dreißig Jahre, der geflügelte Wagen der Zeit und so weiter.« König Karl mustert mich neugierig, bis der Groschen fällt. »Ach, das wusstet Ihr nicht?«
»Sire, ich fürchte, dass ich nicht ganz mitkomme.«
Er steht auf, geht durch das Zimmer auf eine lackierte Truhe zu und nimmt Alys’ bestickte Schriftrolle heraus. Er rollt sie auf und hält sie mir vor die Nase.
Und ich lese:
Sire, vergebt Eurer unglücklichen Untertanin ob der Anmaßung.
Ich bitte nicht für mich selbst, nur darum, dass Ihr Euch meines Sohnes annehmt, Eures kleinen Enkels, alias Mohammed, Sohn des Ismail, Sultan von Marokko, der mich als seine Gemahlin hier in der Stadt Meknès gefangen hält.
In Schande und Verzweiflung, Eure Tochter Alys (Tochter von Mary Swann, geboren in Den Haag, im Oktober 1649)
Die Welt dreht sich um mich. Ich lasse mich auf einen Stuhl sinken und schließe die Augen. Es dauert einige Zeit, bis ich wieder zu mir komme. Und als ich die Augen aufschlage, sehe ich, dass der König, kahl wie ein Ei, Momo seine schwarze Perücke aufsetzt.
»Sieh mal, wie würde es dir gefallen, wenn du so ein monströses Ding tragen müsstest, junger Mann? Darum wirst du nämlich nicht herumkommen, wenn du hierbleibst, auch wenn diese grässlichen Dinger scheußlich heiß sind und obendrein kratzen.«
»Ich werde die Mode ändern«, entgegnet Momo und schüttelt die lästige Perücke ab. »Alle müssen sich den Kopf kahl scheren lassen wie du und Nus-Nus und einen Hut tragen, wenn es kalt ist.«
»Was bist du für ein vernünftiger kleiner Kerl.« Der König blickt mich an. »Ich werde Euch natürlich reich entlohnen, weil Ihr ihn mir gebracht habt. Er kommt mit mir zu Nellys Haus. Sie wird ihn lieben, und ich werde ihn oft besuchen. Dort wird er es gut haben.«
»Ich möchte keine Belohnung, Sire«, erwidere ich. »Alys hat um nichts für sich gebeten, nicht einmal darum, dass Ihr sie freikauft. Sie hat ihren Sohn für immer aufgegeben.« Ich verfluche mich, weil ich die verdammte Rolle nicht geöffnet und es selbst hinzugesetzt habe. Tja, jetzt ist es zu spät. »Trotzdem – was soll aus seiner Mutter werden, Sire? Sie wird ohne eigenes Verschulden gefangen gehalten, nur weil ihr Schiff auf dem Weg nach England von Korsaren gekapert wurde.«
Ich sehe, wie sich sein Gesicht verdüstert. »Nun, das ist eine andere Sache. Die Dame gehört jetzt dem Sultan, und der ist, nach allem, was man so hört, ein ziemlich widerborstiger Mann. Offenbar laufen die Verhandlungen um Tanger eher schleppend.«
Ich muss mir auf die Zunge beißen. Die Verhandlungen um Tanger machen nicht nur wegen der Unnachgiebigkeit der königlichen Minister keine Fortschritte, und weil der Sultan ben Hadou zweifellos angewiesen hat, sich nicht
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