Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Bürschchen, ein Cousin oder ein ferner unehelicher Verwandter, den zweifellos irgendwelche ehrgeizigen Mitglieder seiner Familie zu diesem grausigen Dienst genötigt haben. Auf alle Fälle sieht er krank aus, blass und schweißüberströmt, als könnte er sich jeden Moment übergeben oder in Ohnmacht fallen. Gnade ihm Gott, falls es so weit käme: Ismail hat nichts übrig für Leute mit schwachem Magen. Das weiß al-Attar nur zu gut, deshalb hat er sich schlauerweise gedrückt und lässt mich die Drecksarbeit für ihn machen. Und zu denken, dass ich ihm auch noch dankbar bin! Kein Wunder, dass er mir geraten hat, mir den Dank für später aufzuheben.
»Wie heißt sie?«, frage ich in die Runde.
Ismail reagiert mit einem abschätzigen Schnauben. »Erst wenn sie Eintritt ins Diwanbuch findet, musst du ihren Namen kennen. Sie ist eine sture Heidin; man muss sie züchtigen und vom rechten Weg überzeugen. Sag ihr, sie soll ihren närrischen Widerstand aufgeben und sich dem wahren Glauben zuwenden. Wenn sie nicht nachgibt, wird sie ihr Leben verlieren. Falls sie nur ihre Jungfräulichkeit retten will, sag ihr, dass man sie« – er wirft einen Blick auf das Bürschchen und sieht dann wieder weg, offensichtlich kann er sich nicht an seinen Namen erinnern – »erst dem da und dann Faroukh überlassen wird, anschließend jedem Wächter, der sie haben will, und ganz am Schluss den Hunden. Erst wenn sie alle befriedigt sind, wird sich ihre Seele in die Arme des Blenders Jesus flüchten können.« Er richtet seinen glühenden Blick auf mich. »Tu, was immer du tun musst, um sie zu bekehren, dann lass sie waschen und in mein Zimmer bringen. Dort erwarte ich sie, dem Willen Allahs unterworfen, nach dem fünften Gebet. Wenn du das für mich erreichst, Nus-Nus, sollst du reichlich entlohnt werden. Solltest du versagen, übergebe ich dich Faroukh, der an einer neuen Folterart für mich arbeitet. Eine ausgeklügelte Form der Häutung, die fürchterliche Schmerzen verursacht, das Opfer aber sehr lange am Leben lässt. Du bist genau das, was er braucht: ein kräftiger, muskulöser Mann mit einem gewissen Kampfgeist. Die anderen waren zu schwach, als dass sie auch nur eines Wortes würdig wären, ganz zu schweigen von Faroukhs besten Messern.«
ZEHN
A ls die Schritte des Sultans verhallen, wünsche ich mich beinahe in meinen Kerker zurück. Beinahe. Ich hoffe, dass die Frau zur Vernunft kommt, aber auf den ersten Blick sieht es nicht danach aus.
Sie hat die Fäuste im Schoß dermaßen geballt, dass die Sehnen hervortreten. Jeder Muskel ihres Körpers ist angespannt, obgleich ihr Gesicht sich hinter Schleiern aus blondem Haar versteckt. Aber dann sehe ich, dass sie die Füße hochgezogen hat, als könnte die türkisfarbene Seide ihres fleckigen, zerrissenen Kleides sie beschützen. Ihre Füße sind geschwollen, mit Striemen übersät, sie bluten und krümmen sich ineinander. Man hat sie der Bastonade unterzogen.
Ich sehe Faroukh vorwurfsvoll an, und er erwidert meinen Blick teilnahmslos. In den Händen hat er einen langen, dicken Stock aus Brasilholz. Man benutzt ihn für Schläge auf die Fußsohlen, was mit entsetzlichen Schmerzen verbunden ist. Manche Menschen können anschließend nie wieder laufen. Mit einem Mal fällt mir der ferne Pfauenschrei ein, und ich schäme mich, dass diese arme Frau im Namen Gottes geschlagen wurde, während ich mich im selben Augenblick zu meiner Freiheit beglückwünschte.
»Geh und hol mir kaltes Trinkwasser und eine zweite Schale zum Waschen, auch saubere Tücher«, befehle ich dem Bürschchen, und er rennt zur Tür.
Verachtung für mein Mitgefühl vertieft die Falten um den Mund des Folterers. Plötzlich halte ich es nicht mehr aus, im selben Raum zu sein wie er. »Geh raus, Faroukh«, sage ich zu ihm. »Warte oben an der Treppe.«
»Der Sultan hat mir befohlen hierzubleiben.«
»Glaubst du etwa, sie könnte fliehen?«
Er zuckt kaum sichtbar mit den Achseln. »Möglich, dass sie es versucht. Du würdest nicht glauben, was Gefangene alles anstellen, um zu fliehen.«
Ich möchte gar nicht wissen, was er alles gesehen hat, aber ich weiß, was ich am liebsten getan hätte, als Abdelaziz mich gefangen hielt. »Geh schon«, sage ich entschieden. »Bewach die verdammte Treppe, wenn es dir dann besser geht.«
Er hält zwei unverschämte Wimpernschläge lang meinem Blick stand, dann verlässt er den Raum und schlägt dabei den Stock gegen seine Beine.
Die Wirkung seines Verschwindens ist beinahe
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