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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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greifbar: Die Schultern der Frau sacken zusammen, als wäre es schiere Willensstärke, die sie aufrecht hielt, und ihre Hände öffnen sich wie blasse Blüten. Ich gehe neben ihr in die Hocke, ergreife ihre Hand und drehe sie um. Die Nägel haben sichelförmige Blutspuren in der Handfläche hinterlassen.
    »So eine kleine Hand«, sage ich und schließe ihre Finger sacht über den Wunden. »Man nennt mich Nus-Nus, das bedeutet Halb-und-Halb. Und wie heißt Ihr?«
    Sie hebt den Kopf. In dem Augenblick, in dem sich unsere Blicke kreuzen, fällt mir die erstaunliche Farbe der Augen auf, ein wildes Flackern von dämmrigem Blau um schwarze, geweitete Pupillen. Ihre Wimpern und Augenbrauen sind golden. So etwas habe ich noch nie gesehen. Die Frauen im Harem sind dunkeläugig und benutzen allerlei Schminke, um den dramatischen Effekt ihres Blickes zu verstärken. Das Blond macht die Augen dieser Frau nackt, offen und verletzlich. In dem Moment, bevor sie wieder wegschaut, weiß ich, dass sie mein Herz nicht tiefer hätte treffen können, wenn ich sie reglos eine ganze Stunde betrachtet hätte. Oder eine Ewigkeit.
    Ich registriere, wie das weiße Gesicht ganz leicht errötet, wie das Blut aufsteigt und die Prellung auf ihrem Wangenknochen dunkler färbt und fast, aber nicht ganz, das blutige Rinnsal verbirgt, das aus ihrer Nase sickert. Dann sagt sie mit hoher, klarer Stimme: »Mein Name ist Alys Swann.«
    Zum Glück kehrt jetzt der junge Höfling zurück, denn in diesem Augenblick bin ich verloren. Ich stehe auf und nehme ihm die Kanne mit Wasser ab, gieße mir ein und stürze es in einem Zug hinab, dann fülle ich das Glas erneut für die Gefangene. Sie versucht, manierlich daran zu nippen, doch die Leute aus der Wüste sagen: Aman iman , Wasser ist Leben, und am Ende trinkt auch sie mit großen, gierigen Schlucken.
    Der Diener, der dem Höfling folgt, bringt weiße Tücher und eine Schüssel mit Wasser, in dem Rosenblüten schwimmen. Unter diesen Umständen muss eine solche Höflichkeit geradezu absurd erscheinen. Ich befehle ihm, sie neben den vergoldeten Stuhl zu stellen, bedanke mich bei beiden und schicke sie weg. Dann bade ich vorsichtig die Füße der Frau. Trotzdem beißt sie sich so heftig auf die Lippen, dass das Blut über ihre Zähne rinnt. »Ihr habt Glück, Alys«, sage ich nach einer Weile, als meine Hände aufhören zu zittern. »Keine gebrochenen Knochen.«
    Sie stößt einen traurigen Seufzer aus. Dann hebt sie den Blick und durchbohrt mich mit ihren unvorstellbaren Augen. »Meine Knochen sind noch nicht gebrochen, ebenso wenig wie mein Geist.« Sie hält inne. »Warum nennt man Euch Nus-Nus? Es klingt wie eine Beleidigung.«
    »Ich bin ein Eunuch.«
    Sie sieht mich an, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ihr müsst mir verzeihen, aber ich verstehe nicht genau, was Ihr damit meint.«
    Ich bringe ein schiefes Lächeln zu Stande. »Das kann man auch nur verstehen, wenn man dasselbe jämmerliche Schicksal erlitten hat.«
    Ich sehe sie nachdenken, um den grausamen Namen mit der Andeutung zu verbinden. Dann nickt sie fast unmerklich und fragt: »Wie lautet Euer richtiger Name?«
    Einen Augenblick lang ist mein Kopf ganz leer. Wie heiße ich? Es ist so lange her, dass ich den Namen benutzt habe. Aus der Tiefe steigt er empor, ich sage ihn ihr, und sie wiederholt ihn zweimal, bis die Aussprache korrekt ist. In ihrer leisen, melodischen Stimme klingt mein Name exotisch und honigsüß. Ich spüre, wie mein Magen flattert.
    »Hat dieser Name eine bestimmte Bedeutung in Eurer Sprache?«
    »Er bedeutet ›tot und lebendig‹. Ich war so klein bei meiner Geburt, dass meine Mutter mich für tot hielt. Dann schlug ich die Augen auf. Trotzdem hätte ich lieber, dass Ihr mich Nus-Nus nennt. Das Kind, das meinen alten Namen trug, ist längst ein anderer Mensch geworden.«
    Ein kleines Lächeln. »Und jetzt habt Ihr den Auftrag, mich zu einer anderen zu machen?«
    Trotz der Schmerzen, die sie bei der Bastonade erlitten hat, ist sie geistig völlig klar. »Ich bin hier, um Euch zu überreden, den mohammedanischen Glauben anzunehmen und Euch weitere … Unannehmlichkeiten zu ersparen.«
    »Unannehmlichkeiten!« Sie lacht. »Seid Ihr so etwas wie ein Diplomat, Nus-Nus? Auf alle Fälle könnt Ihr reden wie einer.«
    Ich senke den Kopf. »Ich bin nur ein Sklave, ein Eunuch am Hof, ein Diener des Herrschers. Es tut mir leid. Dies ist keine Aufgabe, die ich mir gewünscht hätte. Aber ich weiß, was Schmerz heißt, ich habe es oft

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