Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
senkt ihren keilförmigen Kopf, um mich neugierig zu betrachten. Dann macht sie kehrt und schlängelt ihren Körper geschmeidig um zwei menschliche Beine hinter ihr. Mir fällt auf, dass das Fell auf ihrem Rücken dunkelrot gefleckt ist, als wäre Farbe daraufgetropft. Als sie hinter den Beinen verschwindet, sehe ich zwei Füße in Pantoffeln, die mit Goldfäden und Edelsteinen bestickt sind. Diesen Stil kenne ich. Das letzte Paar, das er weggeworfen hat, habe ich in meinem Hof vergraben, beschmiert mit Sidi Kabours Blut. Ich presse die Stirn auf die Kacheln.
»Hat sie kapituliert?« Zidanas Stimme.
»Sie ist verdammt starrköpfig.«
»Ich habe dich gewarnt: Sie hat so einen gewissen Blick.«
»Vielleicht war es genau das, was mich angezogen hat.«
»Es wundert mich wirklich, dass sie die shahada noch nicht gesprochen hat …«
Die shahada – jene paar Worte, die ein Ungläubiger rezitieren muss, um seinem eigenen Glauben abzuschwören und in den Augen Gottes zum Mohammedaner zu werden. Und plötzlich wird mir klar, was al-Attar im Sinn hatte, als er mich befreite. Etwas, zu dem er nicht den Mut hat …
»Ich fürchte, sie hat die Situation nicht richtig verstanden.«
»Auf alle Fälle hat sie nicht verstanden, welche Ehre du ihr erweist.«
»Welche Ehre ich ihr zu erweisen beabsichtige.« Ich höre die Begierde in seiner Stimme – als strahlte sie wellenförmig von ihm aus.
»Halt still, mein Liebling.«
Pause.
»Lauf und bring mir einen Lappen und Rosenwasser, Kind.«
Ich höre, wie sich das Klatschen der Fußsohlen auf den Kacheln entfernt, als das Mädchen losrennt. Niemand fordert mich auf, wieder aufzustehen, also bleibe ich mit der Stirn auf den Boden gepresst liegen. Die Kleine kommt zurück. Jemand stellt eine Schale neben mir ab. Medici-Porzellan, blaue Blüten auf weißem Grund. In der Flüssigkeit, die sie enthält, sehe ich Zidanas Spiegelbild, die sich auf Zehenspitzen stellt, um zärtlich das Gesicht ihres Mannes abzutupfen.
»Sie hat dich beschmutzt, die kleine Ungläubige. So, jetzt ist es besser. Ah, warte, da ist noch was auf deinem kostbaren afaf .«
Das Tuch, das in die Schale getaucht wird, verfärbt das Wasser. Ich sehe, wie sich das Blut bis zum Rand des Porzellans ausbreitet. Es ist genau dieselbe rote Farbe wie der Fleck auf der Brust der Schwalbe.
»Was für ein dummes Ding, macht so ein Theater nur wegen dieser paar Worte«, sagt Zidana. »Es wundert mich, dass Sidi Qasem sie nicht besser unterwiesen hat.« Sie klingt selbstgefällig, so, als könnte man seinen Glauben wechseln wie das Hemd. Kein Problem für dich, denke ich: Du hast die shahada gesprochen und deinen Sklavennamen abgelegt, aber dann hast du deine alte Religion niemals aufgegeben, sondern sie einfach vor der Nase der anderen weiter praktiziert.
Plötzlich spüre ich den Blick des Sultans auf mir. Dann erlöst mich ein heftiger Schlag auf die Schulter aus meiner Stellung. Ich rappele mich auf. »Majestät.«
Ismail steht mit der Katze auf dem Arm da. Sie kuschelt sich friedlich und völlig entspannt in seine Armbeuge. Ich glaube nicht, dass der Sultan je versucht hat, einem seiner geliebten Tiere die shahada aufzuzwingen. »Ah, Nus-Nus. Gut.« Kurze Pause, als suchte er vergeblich nach einem fehlenden Stück Information. »Gut. Ich habe auf dich gewartet.«
Drei Wochen, denke ich, sage aber nichts.
Ismail mustert mich von oben bis unten. »Ausgezeichnete Kleiderwahl, schwarz, um unangenehme Flecken zu verbergen und den bösen Blick abzuwenden, gut gemacht, mein Junge. Sie hat bemerkenswerte Augen, diese Frau, aber ich fürchte, es lauern Dämonen in ihr.« Er geht auf die Tür zu und winkt mir, ihm zu folgen.
»Viel Glück, Nus-Nus«, sagt Zidana und verzieht den Mund zu einem boshaften Lächeln. »Du kannst es gebrauchen.«
In der Mitte des tiefer gelegenen Raums sitzt eine schmale Gestalt aufrecht auf einem vergoldeten Stuhl und wendet uns den Rücken zu. Der Stuhl gehört zu einer Garnitur, die uns der französische Gesandte im Namen seines Königs geschenkt hat. Sie fanden kein großes Gefallen: Ismail fuhr beim Anblick ihrer schamlos gebogenen Beine zusammen und befahl, sie auf der Stelle zu entfernen. Ich habe mich immer gefragt, was aus ihnen geworden ist.
Hinter der Gestalt stehen zwei Männer stramm, als der Sultan eintritt. Der eine ist Faroukh, einer von Ismails bevorzugten Folterern, ein kahl rasierter Ägypter mit den kalten schwarzen Augen eines toten Hais. Der andere ein unbedeutendes
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