Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
groß wie kleine Dörfer, durch die Sahara ziehen lässt und eine Flotte von Schiffen besitzt, um die Waren, die er aus der Wüste bringt, nach Europa, in die Levante und nach Konstantinopel zu verkaufen: Elfenbein und Salz, Indigo, Straußenfedern, Gold und Sklaven, Bernstein und Baumwolle. Er ist ein Mann mittleren Alters, vielleicht Ende fünfzig, dunkel und untersetzt, mit einem sauber gestutzten Bart und hellen blauen Augen. Er hat überall Beziehungen und gilt als schlau und fair zugleich, eine Seltenheit beim Geschäftemachen. Man tuschelt, er habe sein Vermögen in Höhlen unter der mellah vergraben und zahle höchstens ein Hundertstel von dem, was er verdient, als Steuer, in Wahrheit sei er so reich wie Krösus oder die Königin von Saba.
Jetzt nimmt er einen Kopf aus einem der Säcke und betrachtet ihn ernst. Es ist ein grässliches Ding mit zerfetztem Hals und einem großen Schwertstreich mitten durchs Gesicht. Al-Ribati schnalzt mit der Zunge. Das wird teuer – für ihn, versteht sich, nicht für den Sultan –, doch er beklagt sich nicht: Seine Existenz hier ist abhängig vom Geben und Nehmen, obwohl er den Eindruck haben muss, dass er fast immer der Gebende ist. »Zwei Wochen«, sagt er knapp. »Komm in zwei Wochen wieder, und sie sind fertig.«
Ich wende ein, dass Ismail bestimmt nicht so lange auf seine Trophäen warten will, doch er lacht nur. »Nicht einmal ein Sultan kann dem Salz Beine machen.«
An diesem Abend entscheidet sich Ismail für eine der Töchter des gefallenen Anführers, ein hübsches Ding von fünfzehn Jahren, mit widerspenstigen Brauen und dichtem schwarzem Haar. Sie macht einen lammfrommen Eindruck, als man sie hereinführt, daher entlässt er mich aus seiner königlichen Anwesenheit, doch schon nach wenigen Schritten dringt lautes Geschrei aus dem Gemach meines Herrn, und ich laufe zurück. Ein Türwächter ist dabei, ihr ein Messer zu entwinden. Wie sie es hereinschmuggeln konnte, ist mir ein Rätsel. Oder vielleicht doch nicht. Lieber Himmel, sie muss ja zu allem entschlossen sein. Als Ismail mich sieht, scheucht er mich lachend davon. »Es ist nichts passiert, Nus-Nus, du kannst wieder gehen!«
Ich ziehe mich einigermaßen erleichtert zurück, zum einen, weil ich dem Akt selbst nicht beiwohnen muss, denn der wird mit Sicherheit nicht angenehm, und zum anderen, weil es nicht Alys ist. Ich lasse eine Lücke für den Namen der Berberprinzessin frei, den ich nicht verstanden habe, und gehe zu Bett, wo ich bis zum Morgen tief und fest schlafe. Jedenfalls so lange, bis ich unsanft geweckt werde.
Sobald ich die Augen aufschlage und auch ohne dass der Junge mich am Arm rüttelt, weiß ich, dass etwas nicht stimmt. Das Licht, es ist das Licht. Es ist zu grell, selbst für diese Sommermonate. Das erste Gebet muss schon eine Stunde oder mehr her sein.
Ich richte mich mit einem Schlag auf. »Der Sultan?«
Abid nickt, kaum im Stande, ein Wort herauszubringen. »Es geht ihm nicht gut. Er fragt nach dir.«
Ich werfe mir ein Gewand über und renne los. Er liegt auf seinem Diwan und ist leichenblass. Schweißperlen stehen auf seiner Stirn. Ich bin beunruhigt. Ismail ist selten krank, obwohl er sich häufig über irgendwelche eingebildeten Krankheiten beschwert. Und nie, niemals verpasst er das erste Gebet.
»Hol Doktor Salgado«, flüstert er kaum hörbar.
Der Doktor – ein spanischer Renegat – schläft noch, als ich ihn finde, und erwacht nur langsam, mit rotem Gesicht und trüben Augen. Sein Atem stinkt nach Knoblauch und gewürztem Wein. Als ich ihm erkläre, der Sultan brauche dringend seine Hilfe, treten seine Augen in Panik hervor. Ich laufe hinaus in den nächstgelegenen Hof und pflücke eine Hand voll Minze, während er sich ankleidet. Während wir zum Gebäudeflügel des Sultans eilen, kaut er sie wie ein Tier, mit offenem Mund und rasselndem Atem.
Ismail lässt sich durch unseren Trick nicht täuschen: Er weicht vor dem Mann zurück und schickt mich los, um Zidana zu holen. Zum Glück ist er zu schwach, sonst hätte Salgado dasselbe Schicksal erwartet wie die aufständischen Berber.
Ich finde die Herrscherin in ihrem Hof, wo sie vor einem Häufchen Hühnerinnereien kauert. Mehrere Frauen beobachten sie argwöhnisch. Sie blickt auf. »Es steht ein Tod bevor«, verkündet sie fröhlich. Dann legt sie die Hände auf die üppigen Schenkel und richtet sich auf. Sofort lässt sich ein Schwarm von Fliegen auf dem heißen Hühnerfleisch nieder.
Ich brauche keine Innereien, um
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