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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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kann man kaum etwas sehen. Ich suche nach einer Kerze oder einem Feuerstein, dann nach den Ingredienzien, die ich holen soll. Es gibt so vieles hier unten, und keine erkennbare Ordnung. Alles dauert ewig lange. Den Honig finde ich zuerst. Er ist so zäh und dunkel, dass er fast schwarz erscheint. Dieses Zeug ist nicht zum Essen bestimmt. Es stinkt durchdringend, schlimmer als Doktor Salgados Atem. Dann die Wolfszwiebeln, und noch während ich verbissen nach dem Beinwell suche, höre ich plötzlich eine Stimme: »Was machst du hier?«
    Als ich mich umdrehe, steht der kleine Zidan vor mir. Seine Augen glitzern wie die eines djinn im dämmrigen Licht. »Deine Mutter hat mich geschickt, um einige Dinge zu holen.«
    »Du lügst! Der Raum ist geheim! Nur ich weiß davon.«
    Ich breite die Arme aus. »Das stimmt nicht ganz, wie du siehst.«
    »Du musst mich ›Emir‹ oder ›Sidi‹ nennen.«
    »Sidi.«
    »Ich werde ihr sagen, dass ich dich hier gesehen habe.«
    »Ja, tu das.«
    Es folgt eine Pause, in der er meine Worte verdaut. »Was sollst du ihr bringen?«
    Ich zeige ihm den Honig und die Zwiebeln. Natürlich hat er keine Ahnung, worum es sich bei Letzterem handelt. Er ist erst sechs, fast sieben, doch er macht ein großes Getue, nimmt sie in die Hand, hält sie an die Nase und schnüffelt.
    »Sind die giftig?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Kennst du dich mit Giften aus?«
    »Ein bisschen. Warum fragst du … Sidi?«
    Er zuckt die Achseln. »Welches ist das stärkste von allen?«
    »Deine Mutter ist die Expertin. Frag sie.«
    Das gefällt ihm nicht. Er folgt mir auf Schritt und Tritt, während ich die Suche nach dem Beinwell fortsetze und ihn endlich in einem Korb mit getrockneten Kräutern finde.
    »Für wen ist das?«
    »Für deinen Vater.«
    »Ist er krank?« Seine Augen glänzen. »Wenn er stirbt, werde ich König. Dann müssen alle machen, was ich sage, oder ich kann ihnen den Kopf abschlagen. Wird er sterben?«
    »Nein.«
    »Gib ihm Gift, dann stirbt er.«
    Ich starre ihn entsetzt an. »Das ist Verrat, Zidan! Wenn ich deinem Vater erzähle, was du gerade gesagt hast, kannst du dich auf eine Tracht Prügel oder Schlimmeres gefasst machen.«
    »Du wirst es ihm bestimmt nicht erzählen«, sagte er selbstsicher.
    »Warum sagst du das?«
    »Weil ich dich töten werde, wenn du es tust.« Er lächelt, bis seine Augen nur noch kleine halbmondförmige Schlitze sind. »Oder Mama tut es. Wenn ich sie bitte, tötet sie dich, einfach so.« Er schnippt mit den Fingern.
    Ich antworte nicht; es gibt keine Antwort darauf. Aus Angst vor dem, was ich sonst tun könnte, dränge ich mich an ihm vorbei, laufe die Treppe hinauf und hinaus in die Sonne. Ich habe die Kerze vergessen. Es ist nicht sehr verantwortungsbewusst, an einem abgeschlossenen Ort wie diesem unbeaufsichtigt eine Kerze brennen zu lassen, vor allem bei all dem Zeug, das wie Zunder brennen würde. Außerdem hält sich ein sechsjähriges Kind dort auf. Aber ich kann nicht anders, ich wünschte, der ganze Raum ginge in Flammen auf und würde alles verschlingen: ihn, das Gift, die unzähligen Pflanzen und die Zauber. Dann wäre die Welt besser dran.
    All das Gerede über den Tod und Gift bringt mich durcheinander. Ich gehe mit gesenktem Kopf geradewegs auf einige Frauen zu, die eine andere gegen ihren Willen an den Händen gefasst haben und mit sich ziehen. Ich erkenne Laila, Naima, Fatima, Ma’assouda und Salka. Sie laufen kichernd um mich herum, bis ihr Opfer und ich praktisch Auge in Auge voreinanderstehen. Zuerst erkenne ich sie nicht, so sehr hat sich ihr Gesicht verändert. Mit Khol und Henna hat man ihre blonden Brauen, Wimpern und Lippen gefärbt und ihren Augen ein ägyptisches Flair verliehen.
    »Alys!«
    Sie hat geweint: Die Schminke ist auf einer Seite verwischt.
    »Sie behandeln mich wie eine Puppe!«
    Erleichtert, dass der Verlust ihrer Würde ihre größte Sorge zu sein scheint, lache ich los. Schlagartig fällt ihr Gesicht in sich zusammen, sie kehrt mir den Rücken zu und eilt davon, zurück in die Arme ihrer Peinigerinnen, während ich dastehe und ihr beschämt nachsehe.
    Als ich in Ismails Gemach zurückkehre, scheint es ihm schon besser zu gehen. Er ist nicht mehr so blass und schweißüberströmt wie zuvor. Zidana schimpft, weil ich so lange gebraucht habe, doch es entgeht mir nicht, dass sie den Vorwand genutzt hat, um ihren Mann ein bisschen für sich zu haben. Es verstärkt ihre Macht über ihn, dass er ihrer Magie und den zärtlichen Worten

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