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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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einen Berberaufstand im Rif niedergeschlagen und sind auf heftigen Widerstand gestoßen.
    Bis vor Kurzem ist der Feldzug nicht gut verlaufen, denn sie sind ein ungehobeltes Volk, diese Stämme aus den Bergen, berühmt für ihr Unabhängigkeitsstreben. Es dauerte länger als zweihundert Jahre, bis die Berber gezwungen werden konnten, sich dem Islam zu unterwerfen, und manche behaupten, sie hätten ihren alten Animismus und ihre Verehrung für die Göttin nie ganz aufgegeben. Man munkelt, dass sie sogar Wildschweine essen, die in ihren Bergen heimisch sind, obwohl die Berber, die ich kennen gelernt habe, zähe und ehrenwerte Männer waren, scharfsinnig und intelligent, wenn auch abergläubisch und empfänglich für Magie und Flüche. Sie sind viel zu stolz und parteiisch, um sich jemandem zu beugen, der nicht zu ihrem Stamm gehört. Ismail hasst sie aus ganzem Herzen und empfindet ihre Weigerung, sich seinem Willen zu beugen, als persönliche Beleidigung. Immerhin ist er Gottes Stellvertreter auf dieser Welt, ein direkter Nachkomme des Propheten. Wie können sie es wagen, sich Allahs heiligem Willen zu widersetzen?
    Normalerweise würde Ismail einen derartigen Mangel an Förmlichkeit und Anstand nicht dulden und es ablehnen, sich mit ungewaschenen Männern in einem Raum aufzuhalten, doch jetzt sind ihm ihre Neuigkeiten wichtiger, und seine Augen leuchten auf. »Zeigt her, was ihr für mich habt!«, befiehlt er, noch während die Männer sich vor ihm niederwerfen. »Erhebt euch!«
    Ich erwarte geplünderte Beute: Gold und Silber, Schätze, die man den gefallenen Anführern im Rif weggenommen hat. Nun, vermutlich ist es genau das, was sie mitgebracht haben: ihren wertvollsten Besitz. Allen Anwesenden stockt der Atem, als die Köpfe aus dem ersten Sack fallen und gespenstisch über den Marmorboden rollen. Da wird jemand putzen müssen, schießt es mir durch den Kopf. Blut und andere Flüssigkeiten sickern heraus. Vermutlich haben sie ihre Gefangenen den größten Teil des Weges marschieren lassen und sie erst heute früh abgeschlachtet. Ich frage mich, wie der Sultan darauf reagieren wird, wenn er es begreift. Ich bin sicher, dass er sie lieber selbst erledigt hätte, langsam und genüsslich. Doch wie es aussieht, spielt es gar keine Rolle. Er kriecht auf allen vieren zwischen ihnen herum, ohne auf den schleimigen Unrat zu achten, dreht jeden Kopf einzeln um und betrachtet ihn voller Befriedigung, während der General Namen und Stammeszugehörigkeiten herunterrasselt. »Ausgezeichnet«, sagt Ismail, »ausgezeichnet. Noch ein toter Feind Gottes.« Zwar hörte ich zuletzt, dass Berber ebenfalls Mohammedaner sind, doch offensichtlich darf man sich als guter Mohammedaner nicht gegen den Sultan erheben.
    Mir fällt die Aufgabe zu, zusammen mit einem Kontingent von Sklaven die grausigen Objekte einzusammeln und zu den Juden zu schleppen, während Ismail die Pferde und andere Beutestücke begutachtet, die die Soldaten ihm mitgebracht haben. Die mellah , das jüdische Viertel der Stadt, verdankt ihren Namen dem arabischen al-mallah – dem Platz des Salzes –, und deshalb sind wir hier, denn nur die reichen Juden aus dem Viertel haben genügend Salz, um diese Insignien des Triumphs so zu präparieren, dass sie eine Weile überdauern, ohne dass Teile ihres verräterischen Fleischs auf die Köpfe der braven Bürger von Meknès fallen, wenn Ismail sie auf den Mauern rings um die Stadt aufspießen lässt.
    Die jüdische Bevölkerung von Meknès lässt sich leicht erkennen: Innerhalb der Stadt verpflichtet das Gesetz die Männer, rote Kopfbedeckungen und schwarze Umhänge zu tragen und barfuß zu gehen; in ihrem eigenen Sektor aber – der sich unweit des Palastes befindet, damit der Sultan leichteren Zugang zu ihrem Geld hat – kleiden sie sich, wie sie wollen. Die Frauen sind unverschleiert, hübsch und frech. Die Männer verstehen sich aufs Handeln, deshalb sind sie hier und leben im Allgemeinen problemlos mit den Marokkanern zusammen. Einige arbeiten am Hof, denn hier werden sie mehr respektiert und weniger verunglimpft als in anderen Teilen der Stadt, obgleich der Sultan ihnen gnadenlos Steuern auferlegt. Ohne sie, so heißt es, wäre er ein Mann ohne Hände: Sie bezahlen für sein Heer und seine Umbauten. Im Gegenzug lässt er sie einigermaßen unbehelligt ihren Geschäftsinteressen und religiösen Vorschriften nachgehen.
    Ich bringe die Köpfe zu Daniel al-Ribati, einem hoch angesehenen Händler, der ein Dutzend Karawanen, so

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