Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
kleinen Raum, der mit flauschigen Schaffellteppichen ausgelegt ist.
Ich bin so benebelt, dass es mir vorkommt, als betrachtete ich ein anderes Liebespaar in halluzinatorischen Lichtblitzen. Ihre blassen Finger streichen über meine Narben. »Was für ein ungewöhnlicher Mann«, murmelt sie und legt sich auf mich. In meinem Traumzustand wundert es mich nicht, dass ich einen Ständer habe. Meine Hände können ihre mit einem silbernen Kettchen und Amuletten geschmückte Taille beinahe umspannen, als ich sie auf die Spitze meines Schwanzes setze. Egal, welche Magie hier am Werk ist – sie ist gewaltig. Wir finden unseren Rhythmus. Sie ist schlank, gelenkig, mit hohen Brüsten und schmalen Hüften. Ihre Haut schimmert, und ihre dunklen Augen sind erfüllt von einem lasterhaften Wissen. Bei einem Stellungswechsel fällt mir auf, dass ihre Pobacken so rund sind wie der Vollmond. Auf Händen und Füßen erkenne ich eintätowierte Muster, ebenso auf den bleichen Fußsohlen, die sie mir wie ein Geschenk präsentiert, als ich über ihr knie.
Als der Morgen dämmert, bin ich allein. Doch in den Schaffellen neben mir erkenne ich den unverkennbaren Abdruck eines weiblichen Körpers.
Ein Bild nach dem anderen steigt in mir auf, grobe Fragmente, zu lebendig und seltsam, als dass es sich um längst vergessene Erinnerungen handeln könnte. Mein Gott, welcher djinn hat mich in Besitz genommen? Ich bin ein Eunuch, ein kastrierter Mann: Nichts von alledem ist möglich. Ich liege da, ausgedörrt und erschöpft, schwankend zwischen Ungläubigkeit und Gewissheit, Euphorie und Scham. Es muss am kif gelegen haben oder an der exotischen Magie der Frau. Doch jetzt wendet sich mein Herz wie ein Magnet wieder Alys zu, und eine kleine triumphierende Stimme in meinem Innern flüstert mir zu, dass ich tatsächlich noch eine Frau befriedigen kann, selbst wenn ich keine Kinder mit ihr zeugen könnte. Ist das nicht ein Geschenk an sich?
Die Zeit in Sidschilmasa ist nur eine kurze Verschnaufpause, dann hören wir, dass die Verbündeten der Rebellen, die Ait-Atta-Berber, ihre großen Festungen im Draa-Tal verlassen und sich ins Atlas-Gebirge zurückgezogen haben, statt dem Herrscher Treue zu schwören. Wenig später sickern die ersten trotzigen Nachrichten dieser abtrünnigen Stammesführer durch, die Ismail zum Angriff anstacheln. Späher werden in die Berge ausgesandt; Tage später kehrt ein verwundeter Soldat zurück und meldet wenige Augenblicke vor seinem Ableben, dass sie Zuflucht in einer Reihe von Höhlen hoch in den steilen Kalksteinklippen des Djebel Saghro gefunden haben.
Und wieder marschieren wir, obgleich es Winter und der Hohe Atlas ein gefährliches Territorium ist. Doch Ismail ist entschlossen, die lästigen Stammesführer entweder ein für alle Mal zu unterwerfen oder sie auszurotten. Der Blick von hier oben ist spektakulär, doch die Kälte verheerend, und die Pässe sind zugeschneit. Selbst die zähesten bukhari leiden Höllenqualen. Wir wuchsen in tropischen Regionen auf und sind solche dramatischen Witterungsbedingungen nicht gewohnt. Einer nach dem anderen stürzen wir, werden erst von Taubheit, dann von Wundbrand an Händen und Füßen heimgesucht. Trotzdem lässt Ismail sich nicht beirren und treibt uns immer weiter voran.
Bei unserer Ankunft kommen drei Anführer aus den Bergen, um zu verhandeln. Es sind knorrige Männer, mit hageren Gesichtern und scharfen Augen. Obwohl sie lächeln und uns mit Geschenken und ausgefallenen Komplimenten überhäufen, bleiben ihre Augen von diesem Lächeln unberührt, besonders, als Ismail ihnen Baumwollgewänder anbietet, die für den Winter untauglich und ohnehin von schlechter Qualität sind, so, als wollte er andeuten, dass sie nicht mehr als Bettler seien.
»Ich traue ihnen nicht«, raune ich ben Hadou zu, der neben mir steht und die Scharade beobachtet.
Er bewegt keinen Muskel und lässt den Sultan nicht aus den Augen. »Es spielt kaum eine Rolle, ob du oder ich ihnen misstrauen. Sie werden tun, wozu sie entschlossen sind, und Ismail wird ebenfalls tun, wozu er entschlossen ist. Sie sind die Darsteller in diesem Spiel, und wir nur die Zuschauer.«
»Zuschauer, die aus einer Laune heraus sterben können.«
Da dreht er sich zu mir um. »Leben und Tod sind immer von einer Laune abhängig, Nus-Nus. Es wundert mich, dass du so lange am Hof überlebt hast und diese Lektion immer noch nicht begriffen hast.«
Die Stammesführer verabschieden sich mit dem Versprechen, bald mit dem Rest
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