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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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der Ait Atta zurückzukommen, um ihre Waffen vor dem Herrscher niederzulegen. Und so warten wir in der eisigen Kälte und verbrauchen unsere ohnehin mageren Vorräte.
    Nachdem ein Monat vergangen ist, ohne dass sie sich ergeben haben, wird klar, dass sie nie die Absicht hatten. Stattdessen haben sie die gewonnene Zeit damit verbracht, ihre Stellungen zu verstärken und ihre Kräfte zusammenzuziehen. Ismail tobt. Ohne auf die anders lautenden Ratschläge zu hören, gibt er den Befehl zum Angriff. »Der Prophet sagt, ein für Gott vergossener Tropfen Blut, eine unter Waffen verbrachte Nacht ist mehr wert als zwei Monate Fasten! Wer in der Schlacht fällt, dem werden seine Sünden vergeben. Am Jüngsten Tag werden seine Wunden rot leuchten wie Blut und duften wie Moschus, und den Verlust der Glieder werden Engel und Cherubim durch Flügel ersetzen! Zum Ruhme Allahs und unseres großen Reiches: Greift sie an!«
    Hübsch gesagt, doch das hält den General der Kavallerie nicht davon ab, Einwände zu erheben. Er wird umgehend zum Schweigen gebracht: Noch während er spricht, schlägt sein Kopf auf der Erde auf.
    Das macht allem Zögern ein Ende. Über drei Hänge hinweg stürmen wir zum Angriff, schwenken unsere Waffen, schreien unseren Widerstand hinaus. Aber natürlich hatte der tote Kavallerist recht: Pferde sind mehr als nutzlos in einem solchen Gelände. Sie werden mit den schmalen Ziegenpfaden oder dem trügerisch bröckeligen Geröll der Berge nicht fertig. Überall um uns herum stolpern und stürzen sie und werden so zu einer ebenso großen Gefahr wie die Pfeile der Berber, die im hohen Bogen von oben auf uns niedergehen. Neben mir flucht ein zum Islam konvertierter Söldner, als ein Pfeil knapp an ihm vorbeizischt: »Kruzitürken! Wer sind diese verdammten Kerle? Beschissene Wilde! Solche vermaledeiten Pfeile benutzt bei uns schon lange keiner mehr!«
    Das Wiehern der verletzten Pferde ist entsetzlich und kann selbst dem abgebrühtesten Kämpfer das Herz zerreißen. Ich, der ich alles andere als abgebrüht bin, merke, wie mir die Knie weich werden und der Griff um mein Krummschwert sich löst. Die armen Tiere, denke ich. Werde ich am Ende auch so schreien?
    Ermutigt von dem höllischen Lärm zeigen sich die Berber auf den Felsvorsprüngen und beschießen uns jetzt, da wir näher herangekommen sind, mit Musketen. Eine Kugel streift einen Felsen nicht weit von mir, und ein Splitter davon bohrt sich in mein Schienbein. Der Schmerz ist so stark und unerwartet, dass ich mir einen Aufschrei nicht verkneifen kann. Sofort schäme ich mich dafür, obgleich er im allgemeinen Getümmel untergeht. Blut quillt aus der Wunde, die kaum eine ist. Weiterklettern, Nus-Nus, ermahne ich mich, obwohl deine Lunge brennt und du keine Ahnung hast, wie man mit der Pistole umgeht, die du im Gürtel trägst. Achte weder auf die Toten noch auf die Sterbenden. Blick nicht nach oben. Und was immer du tust, blick um Himmels willen nicht nach unten …
    Als der Boden steil ansteigt, muss die Kavallerie aufgeben. Die Pferde, die überlebt haben, werden von ihren Reitern über einen Berghang außerhalb der Sichtweite des Sultans wieder hinabgeführt. Die Musketen fordern ihre Opfer, die Kaids führen uns in einen halbwegs geschützten Felsspalt, und wir klettern weiter, mit der Waffe in der Scheide, da wir jetzt beide Hände brauchen, um uns festzuhalten. Ohnehin hätte es nicht viel Sinn gehabt, hier eine Waffe zu schwenken: Die Feinde sind weit über uns und der Herrscher, der das Spektakel blitzender Schwerter beim Angriff liebt, weit unter uns. Unsere ungeübten Füße bringen auf diesem riskanten Terrain Felsbrocken und Steine ins Rollen, die wie Hagel auf die Kameraden hinter uns niederprasseln. Ich glaube, wir sind noch gefährlicher für sie als der Feind. Einmal wage ich einen Blick über die Schulter, den ich sogleich bereue: Auf einer Seite geht es dermaßen steil abwärts, dass es mir vorkommt, als kletterte ich über einem Abgrund. Mein Herz hämmert so stark, dass ich keine Luft mehr bekomme. Einen Moment lang dreht sich alles um mich, und ich habe das Gefühl, als müsste ich mich übergeben.
    Aber für all das kann ich nur mich selbst verantwortlich machen, denn ich hätte auch einigermaßen bequem mit dem Harem in den Tälern des Melwiya bleiben können. Dort hätte ich nur den Großwesir in Schach halten müssen, statt gegen tausend gewiefte Stammesangehörige auf einem bröckligen Berghang anzutreten. Wenigstens sind sie, Allah

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