Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
sind, und englische Kanonen, bei deren Anblick Ismails Augen aufleuchten. Nach und nach kommen sämtliche lokalen Stammesführer zum Katzbuckeln, mit Tributen und überschwänglichen Treueschwüren. Sie versprechen ihr Leben, ihr Schwert, ihre Söhne und Töchter, die allerdings meistens extrem unansehnlich sind. Ismail ist begeistert. Als der Ramadân endet und wir alle ein großes Fest feiern, macht er seine wochenlange Abstinenz wett, indem er sich jede Nacht zwei oder drei junge Mädchen ins Bett holt, als wäre er entschlossen, sein Reich im Alleingang neu zu bevölkern.
Die in Sidschilmasa verbliebenen »Höflinge« sind eine bunte Mischung: Rabauken und Taugenichtse, Opportunisten und Spekulanten aus einem Dutzend verschiedener Stämme und Nationalitäten. Zwei Männer geben sich als Asante-Prinzen aus, daneben finden sich portugiesische und niederländische Deserteure und mehrere Händler aus Ägypten und Äthiopien, die sofort versuchen, ihre Ware an die Neuankömmlinge zu verhökern. Ismail lässt ihre Habe konfiszieren und durchwühlt sie verächtlich. »Hier …«, sagt er und wirft al-Attar ein goldenes Kästchen mit Weihrauch zu. Jeder andere wäre zufrieden mit solch reicher Beute, doch der Hausierer verzieht nur den Mund: Mit Parfüm kann er nicht viel anfangen. Der Doktor bekommt eine seltsame Sammlung von getrockneten Käfern und Skorpionen, wie sie bei der einen oder anderen Pfuscherei benutzt werden. Später erfahre ich, dass er sie in den Abtritt geworfen hat und damit, dem Geschrei nach zu urteilen, dem nächsten Benutzer des kleinen Raums einen kräftigen Schrecken eingejagt hat. Mir schenkt Ismail eine silberne, reich geschmückte Dose, für die ich mich vielmals bedanke. Als ich sie öffne, entdecke ich ein Häufchen getrockneter Blättchen, das nach Holz, etwas Süßem und nach Pfeffer duftet, ein bisschen wie Muskat. Am Abend, als der Sultan sich bereits von seiner neuesten Eroberung erholt, freunden sich die Asante-Prinzen mit mir an. Sie haben Tonpfeifen und einen Beutel mit getrockneten Blättchen dabei, die sie als Tabak bezeichnen. Mein früherer Master, der Arzt, rauchte ihn auch. Sie schlagen vor, etwas von meinem Kraut, das sie kif nennen, mit dem Tabak zu mischen, um ihn »süßer« zu machen. Ich zucke die Achseln: »Wenn ihr wollt.« Ich habe früher schon einmal eine Pfeife mit Tabak probiert und fand nichts Besonderes daran. Doch es ist wahr: Mit dem Zeug aus meiner Silberdose schmeckt es ganz anders. Bald unterhalten wir drei uns wie alte Freunde, umwabert von süß duftenden Rauchwolken, und lachen über die Geschichten, die wir uns gegenseitig erzählen und die immer unzusammenhängender und wirrer werden. Nach einer Weile bekomme ich heftigen Hunger und gehe in die Küche, um etwas zu essen für uns aufzutun.
Gerade als ich mit einem Tablett voller Kuchen und Mandelgebäck – das wirklich köstlich ist, ich konnte nicht widerstehen und habe mir den Mund schon vollgestopft, während ich es zusammensuchte – den Rückweg antreten will, spricht mich ein junges Mädchen mit stark geschminkten Augen und einem erstaunlichen Lächeln an. Eine unverschleierte Nomadin aus dem Stamm der Ait Khabbashi. Sie leckt sich die Lippen und versperrt mir den Weg wie eine Katze, die im nächsten Moment einen Vogel verschlingen wird. »Hallo.«
Sie wirkt exotisch mit ihren dreieckigen schweren Ohrringen und Halsbändern aus Kaurimuscheln, die im Licht der Kerzen in den Wandleuchtern schimmern. Sie legt mir die Hand auf den Arm, sieht nicht das Tablett, sondern mich an und sagt: »Sehr verlockend.«
Ich erinnere mich an meine Manieren und biete ihr ein Stück Kuchen an.
Sie lacht. »Das meinte ich nicht.« Ihre Hand streift über mein Gewand und bleibt auf meinem Schritt liegen. Statt schockiert zu sein, ertappe ich mich beim Lachen. Ich lache noch, als sie meinen Kopf zu sich herabzieht und mich leidenschaftlich küsst. Als wir uns voneinander lösen, sagt sie: »Ich habe dich den ganzen Tag beobachtet. Hast du mich bemerkt?«
Ich muss mich entschuldigen und zugeben, dass sie mir nicht aufgefallen ist. Wie auch? Sie ist wirklich hübsch. Aber sie ist nicht Alys.
»Du bist ein sehr schöner Mann.«
Das bringt mich erneut zum Lachen. »Frauen sind schön, Männer nicht.«
»Lass uns irgendwo hingehen, wo wir ungestört sind und das Thema weiter erörtern können.« Sie nimmt mir das Tablett ab und führt mich, lammfromm, als ginge es auf die Schlachtbank für das Opferfest, in einen
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