Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Sie erklärt es, indem sie die Hände zuerst faltet und dann nach rechts und links auseinanderfallen lässt. Im Glauben der ma’alema hat Gott viele Namen. Sie ist entzückt über mich. Sie tätschelt mir die Hände, redet auf mich ein und stolziert mit geschwellter Brust herum. Wie es scheint, bin ich ihre beste Schülerin geworden, ein lebendes Zeugnis für ihr Geschick und ihre Überzeugungskraft.
Zidana stampft in Decken und Felle gehüllt an uns vorbei. Als sie sieht, dass die ma’alema bei mir sitzt und ich einen Koran auf den Knien liegen habe, sieht sie uns finster an. Amadou wirft nur einen Blick auf sie und verkriecht sich unter meine Röcke.
Eine der anderen Kurtisanen steht wie ich kurz vor der Entbindung; ihre Schwangerschaft ist vielleicht ein oder zwei Wochen weiter vorangeschritten als meine. Sie ist eine junge Schwarze mit hervorstehenden Augen, die so weich und wässrig sind wie die der beiden Mopshunde meiner Mutter. Als ihre Wehen einsetzen, waschen die anderen Frauen sie von Kopf bis Fuß und bepinseln ihre Nägel, die Handinnenflächen und Fußsohlen mit frischem Henna. Anschließend wird sie herumgeschleppt wie ein großes Baby, mit der Hand gefüttert, zur Latrine und zurück getragen und am Ende auch zu einem improvisierten Hamam, wo man die Hennapaste wieder abwäscht. Sie hinterlässt ein leuchtend orangefarbenes Muster, das ihr über alle Maßen zu gefallen scheint. Man schminkt ihre Augen mit Khol und färbt sogar ihre Lippen rot. All das, so habe ich gelernt, sind abergläubische Gesten, die böse Einflüsse in Schach halten sollen. Offensichtlich können die Geister, die hier djenoun heißen, Zeiten der Schwäche nutzen, um sich Zutritt zu einem Körper zu verschaffen. Allmählich frage ich mich, wo man sie sonst noch mit Henna bepinselt hat.
Nun aber sieht es so aus, als hätte das Henna seine schützende Magie nicht ausüben können, und die djenoun müssen einen Festtag gehabt haben, denn das Kind der armen Frau war eine Totgeburt. Klagen ziehen sich über den ganzen Tag, alle Frauen heulen und stoßen ihre schrillen Schreie aus. Die verzweifelte Mutter zerreißt ihre Kleider, zerkratzt sich das Gesicht mit den Nägeln und will nicht zulassen, dass man ihr Kind beerdigt. Sie umklammert selbst dann noch die winzigen Füßchen, als die anderen Frauen versuchen, es ihr wegzunehmen. Es ist ein herzzerreißender Anblick. Anschließend bleibe ich eine Weile bei ihr, streichele ihr die Hände und murmele ihr tröstende Worte zu, doch der Anblick meines geschwollenen Bauches führt nur zu immer neuen Tränen, und als ich mich verabschiede, spüre ich, wie mich bei dem Gedanken an meine eigene bevorstehende Prüfung das Grauen überwältigt.
Dies ist kein Ort, an dem man Kinder zur Welt bringen sollte. Trotz der brennenden Kohlenpfannen ist die Kälte draußen allgegenwärtig. Sie sickert durch das Gewebe der Zelte, durch die Zeltklappen, die nie richtig schließen, steigt aus dem Boden durch die Strohmatten und Teppiche. Und doch stelle ich mir manchmal vor, wie ich mich in die Nacht hinausstehle, an der Furt den Fluss durchwate und mich den Berg hinaufschleppe, um mein Kind ganz allein in einer Höhle zu gebären wie ein wildes Tier.
ZWEIUNDZWANZIG
Shawwal 1088 AH
D ie Eroberung des Tafilalt vollzog sich ohne einen einzigen Schwertstreich. Offenbar hatte man die Dorfbewohner, die uns zwei Tage lang so freundlich aufgenommen hatten, gut dafür bezahlt, uns aufzuhalten, sodass Al-Harrani und Moulay Saghir ungehindert nordwärts nach Tlemcen fliehen konnten. Als wir in der Stadt Sidschilmasa einmarschieren, feiern uns die Bewohner, obwohl sie ohne jeden Zweifel nur Tage zuvor noch die Rebellen unterstützten. Jeder Haushaltsvorstand schleppt Teppiche aus seinem Haus und legt sie auf die Straße, damit der Sultan darüberreiten kann. Natürlich leisten wir uns auf diesem Feldzug nicht den Luxus von Kotbeuteln – weder goldbestickten noch anderen –, daher, so fürchte ich, werden die braven Hausfrauen von Sidschilmasa einiges zu tun haben, ehe sie ihre Teppiche wieder benutzen können.
Die Rebellen haben ihr eigenes barbarisches Diebesgut an diesem Ort offen zur Schau gestellt. Es sieht so aus, als hätten sie bei ihrem Aufstand Unterstützung aus dem Ausland erhalten, denn unter den Gegenständen, die sie bei ihrem übereilten Aufbruch zurücklassen mussten, befanden sich dicke Teppiche aus der Türkei und aus Isfahan, neue französische Möbel, die grell mit Blattgold verziert
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