Die Smaragdreihe 03 - Die Sieben unterirdischen Könige
darüber zu machen, ob das Land die sieben Könige überhaupt brauche, die nur schliefen oder zechten und die Staatsgeschäfte vernachlässigten. Doch die von den Vorfahren ererbte Ehrfurcht vor den Monarchen war zu tief verwurzelt, und kaum jemand glaubte ernsthaft daran, daß man die Könige stürzen und ohne sie leben konnte.
Eine unerwartete Begebenheit brachte jedoch die Ordnung, die seit Jahrhunderten im unterirdischen Lande herrschte, durcheinander.
WEITERE BLÄTTER AUS DER GESCHICHTE DES WUNDERLANDES
Es waren genau 300 Jahre und vier Monate nach der Entdeckung des Schlafwassers im Labyrinth vergangen.
In verschiedenen Teilen des Kontinents, den man zu jener Zeit bereits Amerika nannte, lebten vier Zauberinnen, zwei gute und zwei böse. Die guten hießen Willina und Stella, die bösen Gingema und Bastinda. Obwohl sie leibliche Schwestern waren, lagen sie miteinander in ewigem Streit. Die menschlichen Siedlungen rückten immer näher an die Gebiete der Zauberinnen heran, und diese beschlossen, wie einst der mächtige Hurrikap, ihren Wohnort zu wechseln.
Seltsamerweise kam ihnen dieser Gedanke zur gleichen Zeit, aber was gibt es nicht alles auf der Welt! Die Schwestern guckten in ihre Zauberbücher und beschlossen, in das Wunderland zu ziehen, das durch eine große Wüste und unbezwingbare Berge von der übrigen Welt getrennt war.
Den Büchern entnahmen sie auch, daß in diesem Land kleine stille Menschlein lebten, die man leicht unterwerfen konnte, und daß es dort weder Zauberer noch Zauberinnen gab, mit denen man um die Macht hätte ringen müssen.
Die vier Schwestern waren unangenehm überrascht, als sie, nachdem sie auf verschiedenen Wegen ins Wunderland gekommen waren (wobei sie natürlich ihre Zaubermittel mitführten), plötzlich einander gegenüberstanden.
»Das ist mein Land!« kreischte die vor Bosheit spindeldürre Gingema. »Ich war die erste hier!«
Sie war tatsächlich eine Stunde vor den anderen angekommen.
»Ihr habt einen zu großen Appetit, Verehrteste!« bemerkte die schöne Stella, die das Geheimnis der ewigen Jugend kannte. »In diesem großen Lande wird sich wohl für uns alle Platz finden.«
»Ich will mit niemandem teilen, nicht einmal mit Schwester Gingema!« rief die einäugige Bastinda, die einen schwarzen Schirm unterm Arm hielt, der sie auf ihren Wunsch überallhin trug. »Hütet euch«, sagte sie, »bei einem Streit mit mir werdet ihr schlecht abschneiden.«
Die grauhaarige, gutmütige Willina sagte nichts. Sie nahm aus den Falten ihres Kleides ein winziges Buch, pustete darauf, und siehe da, es verwandelte sich in einen riesigen Band. Voller Respekt blickten die anderen Zauberinnen auf Willina, denn sie waren nicht imstande, ihre Zauberbücher so zu verwandeln, und mußten sie in ihrer vollen Größe mitschleppen.
Willina blätterte in ihrem Buch und raunte:
»Afrika, Ananas, Aprikosen, Brot, Buche… da, ich hab’s: Krieg!« Die Zauberin überflog ein paar Zeilen und lächelte überlegen: »Ihr wollt Krieg führen? Nun denn, ich bin bereit!«
Gingema und Bastinda bekamen Angst. Sie verstanden, daß es ein ernster Kampf sein würde, in dem sie – das mußte wohl Willina in ihrem Zauberbuch gelesen haben – unterliegen würden. Die vier Zauberinnen kamen überein, den Streit gütlich zu regeln.
Aus ihren Büchern erfuhren sie natürlich auch von dem unterirdischen Lande, doch keine wollte dorthin ziehen. Das Los entschied, daß Gingema das Blaue Land, Willina das Gelbe, Bastinda das Violette und Stella das Rosa Land erhalten solle. Das mittlere Gebiet sollte einen Trennungsraum zwischen ihnen bilden, damit sie einander seltener begegneten. Die Zauberinnen einigten sich auch, ihre Länder niemals für längere Zeit zu verlassen, was durch einen Eid besiegelt wurde. Dann machte sich eine jede in ihr Land auf.
Zu jener Zeit gab es im ganzen Wunderland, mit Ausnahme der Höhle, keine königliche Macht mehr. Die Völker, die der Könige überdrüssig geworden waren, weil sie ständig im Streit miteinander lagen und Kriege führten, hatten sich erhoben und die Tyrannen gestürzt. Aus den Schwertern schmiedeten sie Sicheln und Sensen, und die Völker konnten nun ruhig leben.
Der Stamm, der früher das Blaue Land bevölkerte, war fortgezogen, und jetzt lebten dort kleine Menschen, die die komische Angewohnheit hatten, die Kiefer ständig zu bewegen, so daß es aussah, als kauten sie.
Dafür wurden sie Käuer genannt.
Es war ein Unglückstag für die Käuer, als die
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