Die Smaragdreihe 1 - Der Zauberer der Smaragdenstadt
wie um sich zu vergewissern, seinen Kopf betastete. „Ich hab mich bloß erinnert, daß der Eiserne Holzfäller das schon einmal getan hat, als wir Elli vom Menschenfresser erretteten."
Mit ein paar wuchtigen Schlägen hieb der Eiserne Holzfäller eine tiefe Kerbe in den Baum, und dann stemmten sich alle, auch Totoschka, gegen den Stamm - mit Händen, Tatzen, Pfoten oder Stirn -, und der Baum fiel dröhnend über die Schlucht.
„Hurra!" schrien alle wie aus einem Munde.
Sie bewegten sich, an den Zweigen Halt suchend, vorsichtig den Stamm entlang, als eingedehntes Heulen aus dem Walde drang. Auf die Schlucht zu sausten zwei ungeheuerliche Tiere, aus deren Rachen, blanken Säbeln gleich, weiße Hauer ragten. „Die Säbelzahntiger . . .", hauchte der Löwe, an allen Gliedern bebend.
„Ruhe!" gebot der Scheuch. „Geht weiter!“
Der Löwe, der den Zug schloß, wandte sich zu den Tigern um und brüllte so furchtbar, daß Elli vor Schreck beinahe in die Schlucht gefallen wäre. Die Tiger stutzten und blickten den Löwen verblüfft an. Sie konnten nicht begreifen, wie ein so unscheinbares Tier so laut brüllen konnte.
Diese Pause ermöglichte es unseren Wanderern, die andere Seite der Schlucht zu erreichen. Mit drei Sätzen holte der Löwe sie ein. Die Säbelzahntiger, die sich die Beute nicht entgehen lassen wollten, traten gleichfalls auf den Stamm. Sie setzten vorsichtig eine Tatze vor die andere, hielten nach jedem Schritt inne, knurrten drohend und bleckten ihre weißen Zähne. Ihr Anblick war so furchtbar, daß der Löwe zu Elli sagte:
„Wir sind verloren! Lauft, so schnell ihr könnt, ich will die Bestien aufzuhalten versuchen. Leider bin ich nicht dazu gekommen, mir bei Goodwin ein bißchen Mut zu holen! Ich werde aber trotzdem bis zum letzten Atemzug kämpfen!"
Der Strohkopf des Scheuchs hatte an jenem Tag glänzende Einfälle. Er stieß den Holzfäller mit dem Ellbogen an und schrie:
„Hau den Baum durch!"
Der ließ sich's nicht zweimal sagen. Er schwang seine Riesenaxt so ungestüm, daß die Spitze des Baumes nach drei Hieben abbrach und der Stamm donnernd in die Tiefe stürzte. Die Ungeheuer sausten hinab und zerschellten an den spitzen Felsen des Abgrunds. „Hu!" atmete der Löwe erleichtert auf und reichte dem Scheuch feierlich die Tatze. „Schönen Dank! Also werden wir weiterleben. Ich glaubte schon, das Zeitliche segnen zu müssen. Es wäre kein Vergnügen, solchen Ungeheuern zwischen die Zähne zu kommen. Hört, wie mein Herz hämmert!"
„Ach", seufzte der Eiserne Holzfäller, „wie wünschte ich mir, daß mein Herz so schlage!" Die Freunde wollten den düsteren Wald so schnell wie möglich verlassen, denn sie fürchteten, daß noch andere Säbelzahntiger auftauchen könnten. Aber Elli war so müde und verängstigt, daß sie einfach nicht weiter konnte. Der Löwe setzte sie und den kleinen Totoschka auf seinen Rücken, und sie schritten schneller aus. Bald sahen sie zu ihrer großen Freude, daß sich der Wald mehr und mehr lichtete. Die Sonne schien hell auf den Weg hinab, und bald kamen die Wanderer an einen breiten, reißenden Strom.
„Jetzt brauchen wir uns nicht mehr zu fürchten", sagte der Löwe. „Die Tiger verlassen niemals ihren Wald, diese Bestien scheuen aus irgendeinem Grunde die weite Flur..." Allen wurde es leichter ums Herz, aber da stellten sich schon neue Sorgen ein.
„Wie kommen wir nun ans andere Ufer?" fragten Elli, der Eiserne Holzfäller, der Feige Löwe und Totoschka fast gleichzeitig und hefteten ihre Augen auf den Scheuch. Durch die allgemeine Aufmerksamkeit geschmeichelt, setzte dieser eine wichtige Miene auf und preßte den Finger an die Stirn. Er dachte aber nicht lange nach.
„Wasser ist nicht Land, und Land ist nicht Wasser", sagte er belehrend. „Über einen Fluß kann man nicht gehen, folglich..."
„Folglich?" wiederholte Elli.
„Folglich muß der Eiserne Holzfäller ein Floß zimmern, das uns über den Fluß trägt." „Wie gescheit du doch bist!" riefen alle bewundernd.
„Ihr seid sehr liebenswürdig!" Der Scheuch verneigte sich.
Der Holzfäller legte Bäume um und schleppte sie mit dem starken Löwen zum Fluß hin. Elli setzte sich ins Gras, um auszuruhen. Der Scheuch, der wie gewöhnlich nicht untätig sein konnte, ging am Ufer entlang und entdeckte Bäume mit reifen Früchten.
Die Wanderer beschlossen, hier zu übernachten. Elli aß die schmackhaften Früchte und schlief bald ein, von ihren wackeren Freunden behütet. Im Traum sah
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