Die Smaragdreihe 1 - Der Zauberer der Smaragdenstadt
ihr die Zauberkraft zu nehmen?" fragte der Scheuch. „Ihr wollt euch mit Bastinda messen? Na, ich beneide euch nicht. Noch niemand hat es gewagt, sie anzugreifen, außer Goodwin, und sogar er" - der Torhüter senkte die Stimme - „mußte den kürzeren ziehen. Sie wird alles tun, um euch gefangenzunehmen, noch ehe ihr etwas ausrichten könnt. Gebt acht! Bastinda ist eine böse und schlaue Zauberin, mit ihr ist nicht gut Kirschen essen. Geht in die Richtung des Sonnenaufgangs, und ihr werdet in ihr Land kommen. Ich wünsche euch Erfolg!"
Die fünf nahmen Abschied von Faramant, der hinter ihnen das Stadttor schloß, und zogen nach Osten. Alle waren betrübt, deren sie wußten, was ihnen bevorstand, mit Ausnahme von Totoschka, der auf die großen bunten Schmetterlinge des Feldes Jagd machte. Er war guter Laune und unbesorgt, weil er der Kraft des Löwen und des Eisernen Holzfällers sowie der Findigkeit des Scheuchs vertraute.
Elli gewahrte mit Staunen, daß das grüne Halsband des Hündchens weiß geworden war. „Was soll das bedeuten?" fragte sie ihre Freunde.
Diese blickten sich verständnislos an; nur der Scheuch sagte tiefsinnig:
„Das ist Zauberei!"
In Ermangelung einer anderen Erklärung stimmten sie dem Scheuch zu und gingen weiter. Die Smaragdenstadt verschwand in der Ferne, und das Land ringsum wurde kahl und öde. Die Wanderer näherten sich dem Reich Bastindas.
Bis zum Mittag schien die Sonne ihnen in die Augen und blendete sie. Sie gingen durch felsiges Hochland, in dem es keinen Baum gab, der Schatten spendete. Als es dunkelte, wurde Elli schrecklich müde, und der Löwe hatte sich seine Pfoten zerschunden und hinkte.
Die fünf machten halt, um zu übernachten. Der Scheuch und der Eiserne Holzfäller hielten Wache, während ihre Kameraden schliefen.
* * *
Die böse Bastinda hatte nur ein Auge, mit dem sie aber so gut sah, daß kein Winkel des Violetten Landes ihrem Blick entging.
Als sie abends vor das Tor ihres Schlosses trat, um Luft zu schöpfen, und den Blick über ihre Besitzungen schweifen ließ, entdeckte sie weit an der Grenze ihres Reiches das schlafende Mädchen und seine Freunde.
Kochend vor Wut, blies sie in ihre Pfeife, und im gleichen Augenblick kam ein Rudel riesiger Wölfe mit bösen gelben Augen und hervorstehenden Hauern angebraust. Schnaubend setzten sich die Tiere auf ihre Hinterbeine und starrten Bastinda an. „Rennt nach dem Westen! Dort ist ein kleines Mädchen mit ihren Spießgesellen frech in mein Land eingedrungen. Zerreißt sie alle."
„Warum machst du sie nicht zu deinen Sklaven?" fragte der Anführer des Rudels. „Das Mädchen ist ein schwächliches Ding, und ihre Gefährten taugen auch nicht zur Arbeit: Der eine ist mit Stroh ausgestopft, der andere aus Eisen, und der dritte ist ein Löwe, von dem ich mir keinen Nutzen verspreche."
Das alles hatte Bastinda mit ihrem einzigen Auge erspäht!
Die Wölfe rannten davon.
„Zerfetzt sie! Zerfetzt sie!" schrie die Zauberin ihnen nach.
Der Scheuch und der Eiserne Holzfäller schliefen aber nicht! Von weitem sahen sie die Wölfe nahen.
„Wecken wir den Löwen", sagte der Scheuch.
„Nicht nötig", erwiderte der Holzfäller, „ich werde mit ihnen schon selber fertig. Sie sollen mich kennenlernen!"
Er trat vor, und als der Anführer des Rudels, den roten Rachen weit aufgesperrt, auf ihn zustürzte, schwang der Holzfäller seine scharfe Axt und hieb ihm den Kopf ab. Die Wölfe liefen in langem Zug, einer hinter dem anderen. Als sich der Nächste auf den Holzfäller werfen wollte, hatte dieser die Axt bereits wieder erhoben und hieb auch diesem im Nu den Kopf ab.
Vierzig reißende Wölfe besaß Bastinda, und vierzigmal ließ der Eiserne Holzfäller die Axt auf ihre Nacken niedersausen. Als er sie zum einundvierzigsten Male schwang, war kein Wolf mehr am Leben. Sie lagen alle tot zu seinen Füßen.
„Das nenn ich eine Schlacht!" rief der Scheuch begeistert.
„Bäume fällen ist schwerer", sagte der Holzfäller bescheiden.
Als Elli am Morgen erwachte und die toten Wölfe um sich sah, war sie starr vor Schreck. Der Scheuch erzählte ihr von der nächtlichen Schlacht, und Elli dankte dem Eisernen Holzfäller von Herzen. Nach dem Frühstück setzten die Gefährten ihren Weg fort. Die alte Bastinda pflegte sich am Morgen lange im Bett zu rekeln. Sie stand auch diesmal spät auf und ging hinaus, um die Wölfe zu fragen, wie sie die dreisten Wanderer zerfleischt hätten.
Wie ergrimmt aber war sie, als sie die
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