Die Smaragreihe 02 - Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
das schwankende Deck eines Schiffes schreitet. Die weit auseinanderstehenden grauen Augen in dem gebräunten Gesicht blickten gleichsam auf das weite Meer hinaus.
Totoschka sprang bellend den Ankömmling an und wollte ihn ins Holzbein beißen. Auf das Gebell hin wandte sich Frau Anna, die gerade die Hühner fütterte, um und lief mit einem Schrei auf den Mann zu.
„Charlie, mein Bruder", schluchzte sie und fiel ihm weinend um den Hals. „Du lebst!" „Natürlich lebe ich, wo ich doch wieder da bin", sagte Charlie Black, seine Schwester umarmend.
„Dein Kapitän hat uns vor fünf Jahren geschrieben, Menschenfresser hätten dich auf der Insel Kuru-Kusu gefangen!"
Elli. die vor der Tür stand, erbebte, als sie diese Worte hörte, denn sie wußte ja, was Menschenfresser sind. Aber warum hatte die Mutter ihr niemals von einem Onkel Charlie erzählt, dem Seemann, der Menschenfressern in die Hände gefallen war?
Bald sollte ihr aber alles klarwerden.
„Elli", rief die Mutter, „komm, sag Onkel Charlie guten Tag."
Elli ging auf den Onkel zu und reichte ihm die Hand, doch dieser nahm das Mädelchen in die Arme und küßte es.
„Erinnerst du dich noch an mich, Kindchen?" fragte er.
„Aber was red ich, du warst ja erst drei Jahre alt, als ich zum letzten Mal bei euch war. Die Mutter hat dir sicherlich von mir erzählt, nicht wahr?"
Elli schaute die Mutter an und wußte nicht, was sie sagen sollte.
Verwirrt gestand Frau Anna:
„Verzeih, lieber Bruder. Als wir den Brief von deinem Kapitän erhielten, war Elli erst fünf, und da beschlossen John und ich, dem Kind die schreckliche Nachricht nicht mitzuteilen. Jahre vergingen. Elli fragte immer seltener nach dir . . . und dann hatte sie ihren Onkel Charlie ganz vergessen."
Anna senkte schuldbewußt die Augen.
Charlie war ihr jedoch nicht böse.
„Na, wenn schon. Eigentlich habt ihr das richtig gemacht, wo ich doch lebe! Na, was meinst du, Elli, wollen wir gute Freunde sein?"
„Aber klar, Onkel Charlie", rief das Mädchen erfreut. „Und wie bist du mit den Menschenfressern fertig geworden? Hast dich mit ihnen geschlagen und sie besiegt, ja?" „Nein, liebes Kind, so war es nicht", lachte Charlie. „Ich hätte die Menschenfresser niemals besiegt, denn es waren viele Tausende. Aber sie zeigten sich als prächtige Kerle, diese Menschenfresser. Ich bewies ihnen, daß ich ihnen lebend mehr nützen würde, als wenn sie mich über dem Feuer rösteten, und so ließen sie mich gerne am Leben."
„Wieso, Onkel, kennst du die Menschenfressersprache?" wunderte sich Elli.
„Ich will's dir erklären, meine Liebe", lächelte der Seemann. „Wo der gute Wille vorhanden ist, kann man sich immer verständigen. Die Inselbewohner nahmen mich in den Stamm der Kuru-Kusu auf, und ich zeigte ihnen fünf neue Arten der Zubereitung von Fischgerichten, außerdem fand ich auf der Insel neun neue Sorten von eßbaren Pflanzen... Als vier Jahre vergangen waren, gaben sie mir ein Boot mit Proviant und mehreren Fäßchen Trinkwasser und begleiteten mich ein gutes Stück aufs Meer hinaus. Beim Abschied empfahlen sie mich dem Schutz ihrer zahlreichen Götter. Wahrscheinlich bin ich aus diesem Grunde erst nach 42 Tagen endlich einem Schiff begegnet . . . Und so bin ich jetzt bei euch . . . Aber da kommt ja John!"
John hatte von den Nachbarn auf dem Feld erfahren, daß ein Unbekannter da war, hatte sich sogleich auf sein Pferd geschwungen und kam nun im Galopp angeritten. Er freute sich sehr, als er seinen Schwager Charlie Black erblickte.
Die beiden begrüßten sich herzlich.
„Ich komme sozusagen geschäftlich, Schwager John", sagte Charlie, als sie mit dem Händeschütteln fertig waren.
„Sonst hättest du uns wohl noch immer nicht besucht?" erwiderte John mit leisem Vorwurf.
„Du weißt ja, ein Weltenbummler, wie ich es bin, hat immer etwas zu besorgen", rechtfertigte sich Charlie. „Weißt du, ich träume schon lange davon, mir ein kleines Schiff zu kaufen, um meine Freunde auf Kuru-Kusu zu besuchen. Mir fehlen nur etliche Tausender . . ."
Farmer John wußte, daß Charlie einen Hang zu absonderlichen Unternehmungen hatte, und so wunderte er sich nicht weiter über sein Anliegen.
„Schön", sagte er, „das Geschäftliche wollen wir morgen besprechen. Jetzt laßt uns lieber zu Tisch gehen."
Beim Essen ging die Fragerei erst richtig los. Charlie erzählte bis weit nach Mitternacht von seinen Abenteuern, als die müde Elli schon längst in ihrem Bettchen schlief.
„Ihr
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