Die Smaragreihe 02 - Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
seid ja ziemlich reich geworden, wie ich sehe", stellte Charlie fest, als die Hausfrau ihm das Bett machte. „Ihr habt jetzt ein neues Häuschen anstelle des Wohnwagens." Erst jetzt fiel es Ellis Eltern, die von den Geschichten ihres Gastes ganz hingerissen waren, ein, daß sie ihm ja von den wunderbaren Abenteuern ihres Kindes nichts erzählt hatten. Als Frau Anna von dem Sturm zu sprechen begann, der ihr Häuschen mit Elli und Totoschka erfaßt und durch die Lüfte getragen hatte, schlug der Matrose mit der Faust auf den Tisch.
„Alle Maschinen stop!" schrie er. „Anker auswerfen! Sei mir nicht böse, Schwester, aber meine Nichte soll mir diese wunderbare Geschichte selber erzählen. Und wenn ich vor Neugier auch platze, so will ich doch lieber etwas warten, bis sie mir alles haargenau berichtet . . ."
Am nächsten Morgen setzten sich Onkel und Nichte auf die Stufen vor der Tür, und Elli begann:
„Ach, Onkel Charlie, wenn du wüßtest, wie erschrocken ich und Totoschka waren, als der Sturm unser Häuschen durch die Luft trug.
Hätte ich damals gewußt, daß es kein gewöhnlicher, sondern ein Zaubersturm ist, ich wäre wahrscheinlich vor Schreck gestorben . . ."
„Ein Zaubersturm?" staunte der Seemann.
„Aber gewiß, ein richtiger Zaubersturm, wie ihn böse Hexen auslösen."
„Womit hast du die Zauberin denn so aufgebracht, daß sie gleich einen Sturm gegen dich losließ? Na, das war ja dumm von ihr. Als wenn man mit Kanonen auf Spatzen schießt!" „Aber nein, Onkel Charlie, du verstehst das nicht", entgegnete Elli geduldig. „Gingema wollte alle Menschen vernichten, aber die gute Fee Willina hat es nicht zugelassen " Das Mädchen erzählte dem staunenden Onkel, wie ihr Häuschen in das Wunderland verschlagen wurde, wie sie dort drei treue Freunde fand, mit denen sie zu Goodwin gezogen war, und wie sie dann gemeinsam ihre wunderbare Reise in das Land der bösen Bastinda unternommen hatten.
Als Elli noch von den silbernen Schuhen erzählte, mit deren Hilfe sie und Totoschka heimgekehrt waren, und damit ihre Geschichte beendete, konnte der Seemann vor Staunen lange kein Wort aussprechen.
Schließlich rief er aus:
„Bei allen Schildkröten von Kuru-Kusu, dein Logbuch ist wirklich ungeheuer interessant!" „Was ist denn das, ein Logbuch?"
„Das ist ein Buch, in das der Kapitän jeden Tag alles einträgt, was sich auf dem Schiff und in seiner Nähe ereignet. Und soll mich gleich der erste Sturm versenken, wenn ich mir von den langweiligen Leuten, die alles besser wissen wollen, noch einmal sagen lasse, es gäbe keine Zauberer und keine Wunder auf der Welt! Ich würde gern zehn Jahre meines Lebens dafür geben, dieses Wunderland einmal mit eigenen Augen zu sehen!"
Der tapfere Seemann bedauerte es, keine Zauberschuhe zu besitzen, die ihn in das Wunderland hätten tragen können, wo zu jeder Jahreszeit auf immergrünen Bäumen ungewöhnliche Früchte wachsen, die Tiere sprechen und die Stämme der Käuer, der Zwinkerer und der Schwätzer leben - liebe, drollige Menschlein, deren größten erwachsenen Männer kaum größer waren als Elli.
Die Erinnerung an das Wunderland stimmte Elli wehmütig. Sie gestand ihrem Onkel, daß sie sich nach ihren treuen Freunden - dem Scheuch, dem Holzfäller und dem Löwen sehne, und daß sie traurig sei, weil sie diese nie Wiedersehen werde.
Charlie und seine kleine Nichte hatten feste Freundschaft geschlossen. Jeden Abend saßen sie beisammen und erzählten sich von ihren Erlebnissen.
Der Seemann hatte natürlich viel zu berichten. Er war mit 10 Jahren Schiffsjunge geworden, hatte in den Polargewässern mit Eisbären gekämpft und im Urwald der Insel Kuru-Kusu auf Nashörner Jagd gemacht, aber, das mußte er zugeben, noch nie hatte er von den schrecklichen Säbelzahntigern gehört, vor denen Elli nur dank der Geistesgegenwart und der Treue ihrer Freunde gerettet worden war. Charlie hatte auch keine Ahnung, daß es auf der Welt Ungeheuer mit mächtigen Schwingen gab, die Fliegende Affen genannt wurden.
Onkel Charlie war ein sehr interessanter Mensch, der sich auf alles verstand und, wie man sagt, goldene Hände hatte. Elli konnte sich über den Inhalt seiner Taschen gar nicht genug wundern. Was kam da nicht alles zum Vorschein! Es schien, als ob die Taschen seiner Jacke und seiner breiten Hosen jedes Werkzeug beherbergten, das man sich denken konnte. Sein riesiges Federmesser hatte zahllose Klingen für die verschiedensten Zwecke, eine Ahle, einen Bohrer, einen
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