Die Smaragreihe 02 - Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
umkehren . . . Elli war es aufgefallen, daß die Krähe in ihrem Bauer unruhig hin und her lief und andauernd krächzte. Es war, als wollte sie sagen: ,Laßt mich frei! Laßt mich 'raus!'
„Onkel Charlie, wir wollen das Bauer öffnen! Schau nur, wie der arme Vogel sich quält!" schlug Elli vor.
„Der arme Vogel!" knurrte der Seemann. „Er allein ist an unserem Unglück schuld, und jetzt will er sich davonmachen!"
„Onkelchen, tu doch nicht so! Du hast ja ein gutes Herz!"
Charlie öffnete das Bauer, nahm die Krähe in die Hand und warf sie empor:
„Flieg, tückischer Vogel, falls dich der Zauberfelsen nicht festhält!"
Die Krähe setzte sich auf Ellis Schulter und krächzte ihr etwas ins Ohr. Dann schwang sie sich mit leichtem Flügelschlag in die Lüfte und verschwand in der Ferne. Der Seemann staunte:
„Bei allen Zauberern und Hexen, sie steuert leicht ihren Kurs! Aber wie kommt es bloß, daß der Stein sie nicht zurückhält''"
Elli dachte einen Augenblick nach und sagte:
„Warum soll er sie auch halten, wo sie doch aus dem Wunderland ist!"
Charlie schmunzelte, während das Mädchen fortfuhr:
„Mir scheint, die Krähe wollte uns sagen, wir sollen die Hoffnung nicht aufgeben." „Schon möglich."
Der Lebensmittel- und vor allem der Wasservorrat verringerten sich zusehends. Die heiße Wüstenluft verursachte schrecklichen Durst. Charlie bemühte sich, die Rationen einzuschränken, aber Elli bat immer wieder so inständig um einen Schluck Wasser, daß der alte Seemann, dessen Herz sich vor Mitleid verkrampfte, es ihr nicht abschlagen konnte. Und wenn sie mit Wonne getrunken hatte, machte Totoschka Männchen, blickte zu Charlie empor und wedelte mit dem Schwanz. Der Seemann gab auch ihm zu trinken.
Während Charlie die Rationen für Elli und Totoschka erhöhte, kürzte er die seinen. Er wurde immer magerer, sein Gesicht fiel ein, und die Haut bedeckte sich mit zahllosen tiefen Runzeln.
DIE RETTUNG
Am siebenten Tag war das Fäßchen leer, gegen Mittag gab es keinen Tropfen Wasser mehr. Elli hatte vor Erschöpfung das Bewußtsein verloren, der abgehärtete Seemann aber hielt sich. Als er sich einmal unter Aufbietung seines ganzen Willens aufraffte, um Ausschau zu halten, glaubte er in der Ferne einen schwarzen Punkt zu sehen, der sich zu bewegen schien. Charlie rieb sich die Augen . . . Was konnte sich in dieser schrecklichen toten Wüste schon bewegen? . . . Aber der Punkt wuchs und kam immer näher.
„Die Krähe, bei allen Klippen von Kuru-Kusu, es ist die Krähe!" schrie Charlie mit einer Kraft, die er sich nicht mehr zugetraut hatte.
Der alte Seemann wußte natürlich nicht, was ihnen die Rückkehr der Krähe nützen würde, fühlte aber, daß sie nicht ohne Grund kam. Jetzt war sie schon ganze nahe. Charlie sah, daß sie schwer mit den Flügeln arbeitete, um sich in der Luft zu halten.
Es war, als ob sie etwas zur Erde drückte. Doch was konnte das sein? Da entdeckte das scharfe Auge des Seemanns eine riesige Weintraube im Schnabel der Krähe.
„Trauben!" schrie Charlie freudig. „Elli, steh auf, wir sind gerettet!"
Elli aber hörte nichts.
Da setzte sich die Krähe schon neben den Karren in den Sand. Charlie nahm ein paar Trauben und zerdrückte sie zwischen den halbgeöffneten Lippen Ellis. Der kühle Saft rann ihr in den Mund, und sie schlug sogleich die Augen auf.
„Onkel Charlie, was ist das? Wasser?"
„Besser als Wasser, mein Kind, es sind Trauben. Und weißt du, wer sie gebracht hat? Die Krähe!"
„Kaggi-Karr", rief die Krähe, als verstehe sie, daß von ihr die Rede ist.
Elli erhob sich ein wenig und stützte sich auf die Ellbogen. Da bemerkte sie das Hündchen, das ohnmächtig dalag.
„Totoschka, mein Liebling'. Du bist ja fast verdurstet..."
Drei Beeren reichten, um das Hündchen zum Leben zurückzurufen. Es öffnete die Augen und begann mit dem Schwänzchen zu wedeln.
Als der Kapitän seine Mannschaft gerettet sah, nahm auch er ein paar Trauben zu sich. Die großen gelben Beeren zergingen auf der Zunge und stillten Hunger und Durst.
„Ja, das nenn ich Trauben!" schnalzte der Seemann. „Solche hat es nicht einmal auf Kuru-Kusu gegeben!"
Er nahm die Krähe in die Hand und streichelte ihre struppigen schwarzen Federn.
„Ein kluger Vogel, das muß man sagen! Und ich alter Räucherhering war böse, als du fortflogst. Wenn du uns jetzt noch belehren würdest, wie wir die Zauberkraft des Steins brechen sollen, würde ich sagen, du bist der klügste Vogel auf der
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