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Die Socken des Kritikers

Die Socken des Kritikers

Titel: Die Socken des Kritikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schneyder
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Handlung
verstehen, enthielt es nicht. Die waren also zu erfinden.
    Wieder zu Hause, begann er damit. Seine Freundin half ihm, indem sie aus Lexika und ähnlich klugen Büchern politische und soziale Zeitereignisse exzerpierte, des stimmigen Hintergrundes wegen. Es waren glückliche Stunden, die Stunden zwischen zwei Schreibmaschinen, hin- und hergetragenem Papier, Vorgelesenem und Zerknülltem, Kaffee und Zigaretten, kleinen Küssen.
    Es entstanden in einer auch für Routiniers respektablen Zeit sechs pralle Geschichten, rund um eine Frau mit Herz, Hirn und Schnauze, kurz: rund um eine Frau, wie sie die große alte Dame von Film und Fernsehen selbst zu sein der Welt vorspielte und die sie in allen ihren Rollen wiederfinden musste. Der junge Mann verlieh der einen oder anderen Idee bewusst eine etwas einfältigere Wendung, da er von der großen alten Dame, die ihm seine Chance bescheren sollte, weder schauspielerisch noch geschmacklich viel hielt. In erster Hinsicht mag er unrecht gehabt haben.
    Um den Leser ein wenig Anteil an der Tiefe des Sujets haben zu lassen, sei hier der Inhalt von sechsmal einer Stunde in kargen Umrissen, ohne die vielen intelligenten Randfarben, die schon im Entwurf angedeutet waren, skizziert.
    Folge eins erzählte von der Übernahme der Direktionsgeschäfte nach dem Tod des Vaters, von der Skepsis der Truppe, von Unglücksfällen, die es
früher
nicht gegeben hätte, vom zähen und erfolgreichen Kampf der Wanderkomödiantin, als Leiterin ihrer Truppe anerkannt zu werden.
    Folge zwei soll später beschrieben werden.
    Folge drei brachte die Instanz der Presse ins Spiel. Gezielte Verleumdungen eines abgewiesenen Liebhabers der Tochter, vom Lokalblatt publiziert, erfordern von der Heldin Vorsprachen und Bittgänge, um die Rehabilitation der Truppe zu erreichen.
    In Folge vier arbeitete der junge Mann einen seiner Meinung nach grandiosen Einfall ein. In Wien hatte zur Zeit der Handlung die erste Gründungsversammlung einer Bühnengenossenschaft stattgefunden. Da ging es darum, die katastrophale soziale Situation des Komödiantenvolks zu verbessern. Was war näherliegend, als in der Fernsehserie zu unterstellen, die neuen Bestimmungen konnten unserer Wanderschmiere nichts anhaben, da die legendäre Prinzipalin in einigen Punkten des sozialen Unternehmerverhaltens längst über die ersten Forderungen der Genossenschaft hinausgegangen war.
    »Pass auf, dass es nicht zu dick wird«, sagte die Freundin.
    Der junge Mann demonstrierte seinen Durchblick: »Diese Frau spielt das gern. Du weißt doch, die macht immer auf chronisch engagiert.«
    Folge fünf befasste sich mit pädagogisch versauten Bürgerkindern, die sich der Wandertruppe anschließen wollten. Da hatte die Prinzipalin jede Möglichkeit, ihr hohes Verantwortungsgefühl – Zurückbringen der Söhne und Töchter auf den rechten Weg ihrer Eltern oder, bei Erkennen des zukünftigen Bühnentalentes, Mitnehmen bis zur Entdeckung durch das Hoftheater – zu beweisen.
    Folge sechs schließlich beleuchtete die Konkurrenzsituation. Solidarität und Missgunst der Theatertruppen untereinander, gemeinsamer Abwehrkampf gegen die neue Konkurrenz, das Musiktheater, die Operette.
    In dieser letzten Folge wollte der junge Mann die Truppe sich nicht auflösen lassen, er wollte nur der Prinzipalin die Chance geben zu ahnen, ihre Zeit würde einmal zu Ende gehen, sich also konstruktive Sorgen zu machen, wo sie ihre Schäfchen einmal würde unterbringen können.
    Der junge Mann sagte seiner Freundin mit der Coolness des ausgebufften angelsächsischen Scriptwriters, dieser – vorläufige – Schluss ließe jede Verlängerung der Serie zu.
    Sie ist der Wahnsinn, dachte er. Sie ist eine Partnerin. Sie begreift, was eine Chance ist. »Willst du mich heiraten?«
    »Und sonst hast du keine Sorgen?«
    Nachdem das Werk auf die Post gebracht und eingeschrieben abgesandt war, gingen die beiden jungen Leute in eine Gartenwirtschaft und tranken zum Essen die bis dato teuerste Flasche Wein ihrer gemeinsam verbrachten Zeit.
    An einem Kastanienbaum klebte ein Plakat, das ein
Einmaliges Gastspiel
einer bekannten Bauernbühne ankündigte.
    »Das ist ja heute Abend«, sagte der junge Mann, »da gehen wir hin.«
    Sie saßen in einem schäbigen, ganz schwach besuchten Theatersaal und erschraken über die Armseligkeit der Darbietung.
    »Genau das Gegenteil muss unsere. Komödiantentruppe sein«, sagte der junge Mann leise. »Schon arm, aber mit Adel, man muss immer das

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