Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Socken des Kritikers

Die Socken des Kritikers

Titel: Die Socken des Kritikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schneyder
Vom Netzwerk:
mein Mentor, ist tot. Und
wenn
sie es wollen, glaub mir, dann müsste man das Selbstmordmotiv des Originals wieder hineinschreiben, fairerweise, weil so, wie ich das gemacht habe, ist alles doch nur gequirlte Scheiße.«
    »Du kannst dir deine Überlegungen wahrscheinlich sparen.« Die Grafikstudentin lachte: »Den Stoff können die so oder so nicht mehr drehen!«
    Ein paar Tage später berichtete das Wochenmagazin, man hätte unter vielen wirren tagebuchartigen Notizen in der Schreibtischlade des Leiters der Hauptabteilung Fernsehspiel einen Zettel gefunden, auf dem stand: Es ist unmöglich, einen Autor zu finden, der einen Selbstmord motivieren kann.

Der junge Mann und die Chance
    Es war einmal eine Zeit, da man noch Papier in Schreibmaschinen einzuspannen wusste. Damals kam der junge Mann mit seiner Freundin aus dem Kino und war glücklich. Der Film, den die beiden gesehen hatten, war noch schlechter als die schaurigen Kritiken. Selig vor Schadenfreude, tanzten die jungen Leute in Richtung Lieblingslokal.
    »Sind das Idioten?«, jubelte er.
    »Recht geschieht ihnen«, sagte sie.
    Der junge Mann hatte für diesen Film nämlich ein Buch geschrieben. Er hatte dem Produzenten genau erklärt, was an der dem Film zugrunde liegenden, leicht verstaubten Erfolgskomödie filmisch sei und was nicht, was man so lassen könne und was man neu erfinden müsse. Der Produzent, der den jungen Mann entdeckt, nach einer Lesung
Junge Humoristen stellen sich vor
angesprochen und für den Film interessiert hatte, war ganz und gar vom Konzept des jungen Mannes überzeugt gewesen, hatte mit ihm einen kriminellen Pauschalvertrag gemacht, ihm für das fertige Drehbuch ein Drittel der Gesamtsumme bezahlt und ihm dann
zu seinem größten Bedauern
mitteilen lassen, der engagierte Regisseur könnte sich mit dieser Art der Bearbeitung überhaupt nicht identifizieren und schriebe sich das Buch selbst.
    Das war alles vor einem Jahr gewesen.
    Jetzt lief der Film seit einer Woche in den Kinos, und es war abzusehen, dass er diese Woche nicht lange überleben würde. Szene für Szene beschreibend, wiederholte der junge Mann bei Wein und Spaghetti seiner Freundin, vor welchen Fehlern sein Buch das Werk bewahrt und mit welch tödlicher Sicherheit dieser Regisseur jeden von ihnen gemacht hätte. Die jungen Leute waren stolz auf sich und hatten noch einen langen, schönen Abend.
    Der junge Mann war noch nicht lange
freier Schriftsteller
, doch gab es Verdachtsmomente für die Richtigkeit des Entschlusses, die ordentlich bezahlte Stellung als Sekretär der
Literarischen Gesellschaft
in der Hauptstadt aufgegeben zu haben. Der Funk konnte mancherlei brauchen, in Zeitungen war einiges zu platzieren, auch in Literaturzeitschriften, das aber weitgehend honorarlos. Mit Büchern für Folgen von Fernseh-Dauerserien hatte sich der junge Mann auch schon eine gediegene Drehbucherfahrung erschrieben. Er konnte also die Miete für ein aufgelassenes Bauernhaus am Stadtrand bezahlen, zumal seine Freundin, die an der Musikhochschule Flöte studierte, Anfängern Unterricht erteilte. Die jungen Leute hatten sich das alte Haus mit geringen Mitteln sehr funktionell hergerichtet, hatten jeder für sich einen Arbeitsraum und unter dem Schrägdach im ersten Stock das Kommunikationszentrum, wie sie ihr Bett gerne nannten.
    Der junge Mann war von brennendem Ehrgeiz. Er wusste, welche Wiesen er einmal zu diesem Haus dazukaufen wollte, würde er es erst einmal erworben haben. Er wusste, welche Art von Swimmingpool es sein würde, wäre je einmal daran zu denken. Sein Durchbruch war für ihn eine Frage der Zeit, die Pleite mit dem vergeblich geschriebenen Spielfilm empfand er nicht als Pleite. Der Flop des Filmes war sein Sieg. Und er sollte recht behalten.
    Denn kurze Zeit später schon ließ sich die Chefin einer berühmten Künstleragentur über ihre Sekretärin mit ihm verbinden und flötete von der Dringlichkeit eines Zusammentreffens. Es wurde ein Termin vereinbart. Der junge Mann hatte die Nerven, nicht zu fragen, was man von ihm wolle. Er fand es einfach logisch, von einer bedeutenden Agentin zu einem Gespräch gebeten zu werden. Ausgiebig diskutierte er mit der Freundin die Auswahl der Garderobe für diesen Gesprächstermin. Er entschied sich für einen lässigen und immer schön zerknautschten Khakianzug, den er selten trug, weil Anzüge dieser Art so rasch in die Reinigung müssen.
    Die Agentur befand sich in einer als Zentrum des Films bekannten Stadt, etwa zwei

Weitere Kostenlose Bücher