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Die Socken des Kritikers

Die Socken des Kritikers

Titel: Die Socken des Kritikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schneyder
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kleinen Imbiss vertragen zu können, rechnete die bis jetzt verbrauchten Stunden hoch und kam zu einer positiven Prognose. Er hatte nach der ersten Etappe eigentlich Lust auf ein anständiges Essen, aber die Freundin meinte, er solle sich nur kein Völlegefühl anfressen. Sie stellte Brot, Quark und Tomaten auf den Tisch, auf die Idee mit einem Schluck Alkohol kam der junge Mann schon selbst nicht. Während er mampfte, erzählte er den Witz vom alten Schauspieler, der sich keinen Text mehr merken konnte und der, als eines Tages die gute Fee zu ihm kam und ihm drei Wünsche freistellte, nichts herausbrachte, weil ihm die Sätze nicht einfielen.
    »Arbeite das doch ein«, schlug die Freundin vor.
    »Keine schlechte Idee.« Der junge Mann saß schon wieder vor den Tasten.
    Er ließ die Prinzipalin bei der Bierbrauerfamilie vorsprechen, versuchte aber den Bürgern gegenüber fair zu bleiben, um der Heldin die Möglichkeit zu geben, zu überzeugen. Dann kamen die Begegnungen mit Wirten wegen der Zimmerbeschaffung. Dazu das Gegenspiel in der Truppe wegen der entscheidenden Stückwahl für die Eröffnungsvorstellung. Wieder muss die Prinzipalin das klärende Wort sprechen. Schon werden die Theaterzettel ausgetragen, obwohl die offizielle Permission noch immer nicht erteilt ist. Aber der Bürgermeister hatte glaubhaft versichert, der Gemeinderatsbeschluss sei nur mehr Formsache, nachdem der Bierbrauer umgestimmt wäre.
    Der Abend der Premiere ist da. Eine Umbesetzungsprobe ist noch nötig. Das kleine Kind muss, weil es auf der Straße als
Komedibankert
beschimpft wurde, getröstet werden, gleichzeitig muss die Prinzipalin, einen Mantel über dem Bühnenkostüm, auch an der Kasse sitzen …
    »Das ist genau das, was diese blöde Kuh spielen will, die Überfrau«, sagte die Freundin. Sie war tapfer aufgeblieben und hatte das Zimmer voll gequalmt. »Aber ich vergebe mir doch nichts?«, fragte der junge Mann ängstlich zurück.
    »Überhaupt nicht«, beruhigte die Freundin. »Das könnte man auch gut machen, was bis jetzt dasteht.«
    Die Betonung lag auf gut.
    Es war vier Uhr morgens. Er zitterte schon ein wenig.
    »Die Vorstellung schaffe ich jetzt nicht mehr.«
    Die Freundin fuhr ihm durchs Haar.
    »Nein, das ist auch nicht mehr nötig, wir liegen gut in der Zeit, du schläfst jetzt drei, vier Stunden.«
    »Ich zieh mich gar nicht aus«, sagte der junge Mann. »Dann kann ich gleich weitermachen.«
    Er wachte nach drei Stunden auf, gerädert. Er konnte seine Träume nicht mehr genau rekonstruieren, aber da war eine riesige Bühne, gefüllt mit Schauspielern in wahnwitzigen Kostümen. Sie alle erklärten, gewillt zu sein, zu spielen, aber sie hätten keinerlei Text. Die Freundin schlief tief und fest. Der junge Mann schlich sich in die Küche, wollte heldenhaft selbst einen Kaffee kochen, aber da stand sie schon neben ihm, den Kaffee mache schon sie, er solle sich nur ruhig an die Maschine setzen.
    Der junge Mann saß eine Stunde und tippte nicht einmal hin. So gut es gestern gelaufen war, heute war nichts möglich. Jedes Wort, das er zu denken versuchte, empfand er als Albernheit.
    »Das ist doch alles der totale Scheiß«, schrie er, als ob seine Freundin daran schuld hätte.
    Sie widersprach, aber möglicherweise nicht deutlich genug. Da sprang er auf das Bett und erklärte, aufgeben zu wollen.
    »Bist du verrückt«, sagte die Freundin. »Jetzt, wo du schon die Hälfte hast. Noch einen Kaffee?«
    »Nein«, lehnte der junge Mann ab. »Mich trifft ohnehin bald der Schlag, kannst du mir eine ganze Zitrone in ein eiskaltes Mineralwasser pressen?«
    Bei der Beschreibung des Wechselspiels zwischen Bühne und Publikum während der großen Eröffnungs-
Galavorstellung
gelangen dem jungen Mann ein paar hübsche Details, an denen er sich mehr und mehr aufrichtete. Es begann wieder zu laufen. Die Stimmung nach der ersten Vorstellung im Wirtshaus war dem Erfolg entsprechend gut. Doch immer noch war die Sache mit der Permission unerledigt, die Spielerlaubnis sozusagen nur eine vorläufige. Der Gemeinderat musste den Beschluss des Vorjahres, nie wieder eine Theatergruppe über den Winter zu beherbergen, erst wieder aufheben. Und der Gemeinderat würde erst in der folgenden Woche tagen. Der Bürgermeister beruhigte noch einmal, er hatte sich zum Gönner gewandelt, seit ihm die Prinzipalin zugesagt hatte, das Bürgermeisterstöchterlein einmal vor geladenen Gästen einige Lieder von einer richtigen Bühne herunter singen zu lassen. Nur eine

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