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Die Socken des Kritikers

Die Socken des Kritikers

Titel: Die Socken des Kritikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schneyder
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Warnung des Bierbrauers sollte man beherzigen, sich bis zur Sitzung des Gemeinderates auch nicht den kleinsten Ärger mit irgendeinem Mitglied der Bürgerschaft zu erlauben.
    Da aber kündigte sich ein Problem an. Denn die Tochter des Bürgermeisters, dem Sohn des Bierbrauers versprochen, schien Gefallen an dem Ältesten der Prinzipalin zu finden. Es war klar, dass die Familie des Bräutigams da nicht tatenlos würde zusehen können. Und so warnte der Pfarrer in der Sonntagspredigt – aufgehetzt von der Frau Bierbrauer – auch vor dem Verfall der Moral, vor den Versuchungen und deren Ursachen, zum Exempel, den Sitten des fahrenden Volkes.
    Es war der Abend des zweiten Tages. Der junge Mann erklärte: »Aus! Ich kann nicht mehr!«
    Er tat seiner Freundin leid. Sie war selbst ziemlich am Ende. »Man kann nichts erzwingen. Wenn diese Kuh das unbedingt spielen möchte, dann wird das Probebuch auch in einer Woche noch rechtzeitig kommen. Sind wir eigentlich wahnsinnig, uns so unter Druck setzen zu lassen?«
    Der junge Mann wurde wütend: »Begreifst du denn gar nichts? Die Frau hat einen Termin mit dem Programmdirektor. Da werden Stoffe besprochen. Da fällt die Entscheidung darüber, was diese große alte Dame von Film und Fernsehen als nächstes Großprojekt in dem Sender macht. Wenn da mein Manus nicht auf dem Tisch liegt, wenn sie es nicht gelesen hat und dafür brennt, ist Sense! Was habe ich davon, wenn ich in zwei Wochen höre, das Buch ist glänzend, die Serie wunderbar, aber man könne an dieses Projekt frühestens in drei Jahren denken? Nein, jetzt zieh ich das durch, ich kann den Kaffee nicht mehr sehen, mach mir einen Tee und verstink mir nicht die Bude mit deinen Scheißzigaretten!«
    Die Freundin verließ beleidigt den Raum.
    Der junge Mann fühlte wieder einmal, wie sehr man in den entscheidenden Stunden seines Lebens allein ist.
    Die Prinzipalin hatte jetzt auch das Problem mit dem Pfarrer zu lösen. Auffallend an dessen Kirche war ein vom Unwetter zerstörtes Fenster, das nicht wiederhergestellt werden konnte, da die Kollekten noch keinen ausreichenden Ertrag gebracht hatten.
    Die Prinzipalin bot dem Pfarrer bei ihrer Vorsprache eine Benefizvorstellung an. In diesem Dialog zwischen der Prinzipalin und dem Pfarrer wurde der junge Mann noch einmal sehr ehrgeizig. Viel zu schade, dieser Dialog, für diesen Dreck, dachte er, als er die beiden über das Wesen der
Gemeinde
sprechen, die Prinzipalin darstellen ließ, dass auch sie so etwas wie eine Gemeinde hätte, ihre Compagnie nämlich. Nein, nicht zu schade, dachte der junge Mann weiter, das ist die Stelle, mit der ich mich ausweise; die führt von der Serie weg, die bringt mir den Auftrag für ein Fernsehspiel, die Stelle – brillant, wie sie ist – können diese Arschgeigen nicht überlesen.
    Die Benefizvorstellung wird geprobt, aber die Tochter der Prinzipalin ist krank. Das Bürgermeisterstöchterlein möchte mitspielen. Sie soll einspringen. Da droht Schlimmes, wird sie doch Partnerin des Sohnes der Prinzipalin sein, der ihr so gut gefällt. Andererseits läuft die Frau des Bierbrauers – Vorsitzende des Komitees zur Wiederherstellung des Kirchenfensters – Sturm gegen die Idee, die Komödianten in ein solch heiliges Werk einzubinden. Und als dann noch Bierbrauers Jüngster beim Spielen am Bach die Kleinste der Prinzipalin beleidigt und von deren Bruder eine Ohrfeige bekommt, ist Feuer am Dach. Zudem besäuft sich der Sohn des Bierbrauers erstmals mit Wein, aus Eifersucht, weil doch die Tochter des Bürgermeisters dem Erstgeborenen der Prinzipalin schöne Augen macht.
    Der Ort ist in Aufruhr. Die Prinzipalin muss alles in den Griff kriegen, muss ausgleichen, beruhigen, sonst wird das nie was mit der
Permission
.
    Die Freundin brachte Tee und Rühreier. Längst hatte sie wieder mitgearbeitet. Man war auf Seite 100 angekommen. Es war drei Uhr morgens. Der Zug, mit dem das Drehbuch überbracht werden musste, ging kurz vor acht Uhr.
    »Jetzt hast du’s gleich«, sagte die Freundin. »Bis jetzt ist alles ganz plausibel und geht schön hin und her. Jetzt muss der Schluss ganz knapp werden.«
    »Das sagst du so«, jammerte der junge Mann. »Wenn die Auflösung nicht stimmt, wenn das ein billiges Finale wird, ist alles hin, was die Sache ein bisschen herausheben soll aus der Konvention. Natürlich muss es jetzt rasch gehen. Aber gut muss es sein. Und ich kann nicht mehr.«
    Das glaubte ihm die Freundin. Er saß da, nicht einmal mehr zum Ausspielen seiner

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