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Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Titel: Die Söhne der Insel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Johnson
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würden sie zerfallen, wenn er einen zu scharfen Blick darauf warf.
    Wenn er sich recht erinnerte, gab es im Nordflügel eine Nähkammer, in der noch Stoffreste von einer der Schiffslieferungen vom Festland liegen mussten. Sabers Fähigkeiten, mittels Magie Kleider herzustellen, waren genauso mittelmäßig wie die seiner Brüder, Evanor ausgenommen,
aber ein schlichtes Kleid würde er sicher zustande bringen, wenn er nicht etwas schon Vorgefertigtes fand und vor allem genug festen, nicht von Motten zerfressenen Stoff.
    Er konnte nur hoffen, dass er auf ein paar alte, aber noch brauchbare Frauengewänder stieß.
     
    »Was in Jingas Namen tust du da, Frau?«
    Sabers unverhofft hinter ihr ertönende Stimme bewirkte, dass Kelly zusammenzuckte und etwas von dem Wasser verschüttete, in dem sie gerade die Scheuerbürste ausspülte. Mit wild hämmerndem Herzen sah sie zu, wie er ein Kleiderbündel zu Boden fallen ließ. Eine Schmutzspur zog sich quer über eine seiner Wangen. Als er auf sie zukam, rappelte sie sich hoch und zerrte vorsichtshalber ihr Schlafanzugoberteil hinunter. Er war offenbar schon wieder wütend auf sie, was sie nervös machte, weil sie nicht wusste, was sie diesmal angestellt haben sollte. Sie wich einen Schritt vor ihm zurück, dann straffte sie sich entschlossen und schob das Kinn vor. »Ich putze den Boden! Wonach sieht es sonst wohl aus?«
    »Es sieht aus, als ob du dich völlig verausgabst, verdammt!«
    Die schroff hervorgestoßene Antwort ließ sie verdutzt blinzeln. Er macht sich Sorgen um mich? Dieser ungehobelte Bursche macht sich tatsächlich Sorgen um mich? Er packte sie am Arm, woraufhin sie erneut zusammenzuckte, weil sich seine Finger tief in eine mit besonders schmerzhaften Prellungen übersäte Stelle gruben, dann zog er sie in die Höhe und stapfte mit ihr durch den Raum, fort von dem Eimer und der Schmutzwasserpfütze auf dem Boden. Kelly biss sich auf die Unterlippe. Diesmal gab er sich sichtlich Mühe, sie nicht zu hart anzufassen. Sie unterdrückte ein Lächeln. Der blonde Grobian hat wirklich Angst, ich könnte mir zu viel zumuten.
    Er war irgendwie rührend, auf eine machohafte, befehlsgewohnte Art.
    Saber setzte sie auf den Stuhl vor dem Tisch, auf dem die beiden Tabletts standen, und entfernte die Abdeckhauben. Sie hatte inzwischen einige Reste vom Abend zuvor, etwas von den Eiern, Kartoffeln und Zwiebeln, die jemand ihr zum Frühstück gebraten hatte, und ein Stück des nussbraunen, diesmal dick mit Butter bestrichenen Brotes verzehrt. In einem großen Becher hatte sie einen frisch gepressten, süßen, orangenähnlichen Saft vorgefunden und vor kurzem die Hälfte davon getrunken, nachdem sie in ihrem Bett erwacht war. Erst da war ihr aufgefallen, dass jemand ihr ein zweites Essenstablett gebracht und sie wieder in das Bett gelegt hatte, aber sie konnte sich nicht daran erinnern, dass irgendjemand die Kammer betreten hatte.
    Also musste Saber das für sie getan haben.
    Saber stieß die silbernen Hauben klirrend gegeneinander. Wenigstens hatte sie einen Teil ihrer Mahlzeit verspeist, wenn auch seiner Meinung nach nicht annähernd genug. »Iss!«
    Sie blickte unsicher zu ihm auf. »Ich habe schon gegessen. Gerade eben.«
    »Iss den Rest auf!«, befahl er. Dabei zeigte er mit einem staubverschmierten Finger auf die Frühstücksplatte.
    »Ich kann nicht mehr, ich bin immer noch satt bis obenhin!«
    »Du hast nicht genug gegessen, um satt sein zu können«, fuhr ihr Gastgeber sie an.
    »Verglichen mit dem, was ich in der letzten Zeit zu mir genommen habe, habe ich sogar eine Riesenportion vertilgt! Ich habe keine Lust, mich zu vollzustopfen und dann alles wieder von mir zu geben«, fügte sie hinzu. Ihre Augen begannen gefährlich zu glitzern. »Man zwingt jemanden, der ein Jahr lang gehungert hat, nicht gleich am
ersten Tag, wo es wieder ausreichend zu essen gibt, ein Vierzehn-Gänge-Menü hinunterzuschlingen. Der Magen muss sich erst wieder langsam daran gewöhnen.«
    »Wie kann man nur so dumm sein, sich fast zu Tode zu hungern?«
    Das war zu viel. Kelly sprang auf, hob kampfeslustig den Kopf, funkelte ihn an und lieferte ihm dann eine nur unwesentlich schwächere Version seines eigenen Gebrülls.
    »Ich hatte ja gar keine andere Wahl, du spatzenhirniger Idiot! Nachdem diese voreingenommenen Dummköpfe fast alle meine einheimischen Kunden vertrieben hatten, ich aber trotzdem die Hypothek für mein Haus und meinen Laden abzahlen musste, um ein Dach über dem Kopf und

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