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Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Titel: Die Söhne der Insel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Johnson
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sich im Bad die Hände, wedelte damit durch die Luft, um sie zu trocknen und widmete sich dann ihrer Mahlzeit. Bei den Freunden des Mittelalters hatte sie gelernt, mit den Fingern zu essen, ohne dass es unappetitlich wirkte, daher war das Fehlen jeglichen Bestecks nur lästig, aber kein echtes Problem.
    Dort hatte sie auch gelernt, bezüglich ihrer Geschmacksnerven
offen für neue Experimente zu sein. Die hier verwendeten Kräuter und Gewürze kannte sie nur zum Teil, aber sie verliehen den ansonsten faden Speisen eine exotische Note. Das Fleisch schmeckte wie Ente, die sie einmal vor Jahren noch zu Lebzeiten ihrer Eltern zu Weihnachten vorgesetzt bekommen hatte, und war mit Basilikum und etwas Pfeffrigem gewürzt, bei dem es sich aber nicht um den normalen Pfeffer ihrer Welt handelte. Und obwohl sie sich eigentlich nicht viel aus Ale und Bier machte, schmeckte das Stout, das Saber ihr aus den Gott weiß wo gelegenen Küchen dieses Gebäudes hochgebracht hatte, angenehm nussig.
    Die warmen Speisen waren inzwischen zwar kalt geworden, aber immer noch recht schmackhaft. Doch ihr Magen war an üppige Portionen nicht mehr gewöhnt, und so musste sie wohl oder übel die Haube über die Reste stülpen. Es war besser, nicht so viel zu essen, wie sie es gern getan hätte, damit ihr nicht prompt schlecht wurde. Was übrig blieb, würde sie aufheben, um es später zu verzehren, allerdings würde sie Saber um einen Kühl- und Frischhaltezauber bitten müssen.
    Als sie die Abtrittkammer erneut betrat, um sich die Hände zu waschen, spähte sie zuerst vorsichtig in jede Ecke und Nische. Erst als sie beruhigt war, wusch sie sich und rieb sich in Ermangelung einer Zahnbürste mit einem Stück des gründlich ausgewaschenen Tuchs die Zähne ab, dann ging sie zu Bett. Nicht einmal eine kleine Stechmücke erschreckte sie, als sie sich auf der klumpigen, mit Federn gefüllten Matratze ausstreckte.
    Doch der Schlaf wollte sich nicht einstellen, obwohl nur eine der Lichtkugeln mit halber Stärke brannte. Sicher, vor dem Ausbruch des Feuers hatte sie die halbe Nacht geschlafen und dann nach ihrer Ankunft hier noch einmal den halben Nachmittag, aber dass sie jetzt trotz ihrer Erschöpfung hellwach war, lag nicht daran, sondern an dem
Gedanken an weitere unheimliche Krabbeltiere, die sie vielleicht mitten in der Nacht heimsuchen würden. Seufzend wälzte sie sich von einer Seite auf die andere. Immer und immer wieder.
    Ein oder zwei Stunden später – in dieser Welt fehlte es nicht nur an Technologie, sondern auch an Uhren – gab Kelly den Kampf auf und stand auf. Im Bad fand sie das ausgetrocknete Stück Seife und einen Lappen, der aussah, als hätte er einst einem Frotteehandtuch geähnelt. Unter dem Waschbecken entdeckte sie sogar einen Eimer und eine Scheuerbürste mit harten, starren Borsten. Nachdem sie den Eimer mit Seifenwasser gefüllt hatte, benutzte sie einen anderen Lappen als provisorisches Kopftuch und begann, das sich an ihr »Zimmer« anschließende Bad einer gründlichen Reinigung zu unterziehen.
    Harte körperliche Arbeit würde das Bild von Wesen auslöschen, die Nattern wie Spaghettis aufschlürften, und die anschließende Sauberkeit auch ihre Hemmungen, hier irgendetwas zu berühren, abbauen. Das lag in der Natur der Doyles – man rückte allem Unangenehmen, bösen Erinnerungen eingeschlossen, energisch zu Leibe und versuchte es aus dem Weg zu räumen. Außerdem legte sie Wert auf eine saubere Unterkunft. Sie fürchtete sich nicht vor Schmutz, sie mochte ihn nur einfach nicht.
    Also schrubbte sie die furchtbaren Erinnerungen an ihr in Flammen stehendes Haus und den Angriff der spinnenähnlichen Geschöpfe fort; tauschte sie gegen ein blitzblankes Bad ein und hoffte, sich dabei so zu verausgaben, dass sie schlafen konnte, ohne von Bildern schwarzer Kreaturen mit zu vielen Beinen, unfreundlicher, seltsame Zauber verhängender Männer, an Verandabalken baumelnder Galgenschlingen, maskierter Angreifer auf offener Straße, Hassbotschaften und in sich zusammenstürzender brennender Decken gepeinigt zu werden.

5
     
     
    D ie Frau lag nicht in ihrem Bett, als Saber ihr das Frühstück brachte. Die im Raum verteilten Kugeln spendeten ein helles Licht, obwohl die ersten Morgensonnenstrahlen bereits durch die gen Osten gelegenen Fenster fielen. Die Decke war auf einer Seite des Bettes zurückgeschoben; ein Beweis dafür, dass sie, nachdem er sie allein gelassen hatte, noch einmal aufgestanden war. Da er annahm, dass sie

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