Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
dann musste ich auch noch Wäsche waschen, meine Blumen gießen und im Garten arbeiten, um möglichst viel Gemüse und Obst ernten zu können. Kaufen konnte ich diese Dinge ja nicht mehr, nachdem meine lieben Nachbarn meine Kunden unter Druck gesetzt und verscheucht hatten und ich von dem leben musste, was die paar Touristen, die in die Stadt kamen, bei mir ließen. Eine Doyle eignet sich nicht zum Nichtstun, und ich schon gar nicht. Ich bin die einzige noch lebende Doyle.«
Evanor runzelte die Stirn, Saber nahm ihr Geständnis schweigend auf. »Eure Familie ist tot?«, fragte Evanor schließlich.
»Ja, meine Eltern starben vor einigen Jahren bei einem Autounfall …« Angesichts der verwirrten Gesichter der beiden Männer brach sie ab. Das Wort »Auto« schien ihnen nichts zu sagen, und da der Sprachzauber scheinbar keine sinngemäße Übersetzung zustande brachte, griff Kelly zu der naheliegendsten Erklärung. »Hier gibt es doch sicher Kutschen, nicht wahr? Von Pferden gezogene Kutschen?«
»Ja. Und auch solche, deren Räder sich mittels Magie drehen, aber sie sind kostspielig, und es bedarf zahlreicher Zauber, um sie instand zu halten«, erwiderte Evanor mit seiner wunderschönen weichen Stimme. »Wir stellen sie hier auf der Insel für unseren eigenen Gebrauch selbst her, denn wir besitzen keine Pferde, die die gewöhnlichen Kutschen ziehen könnten. Wir verstehen uns gut darauf, sie zu warten. Sie sind schneller als Pferdekutschen, vorausgesetzt,
die Straße ist eben genug, um schnell zu fahren, können fast dasselbe Ladegewicht bewältigen wie zwei Zugpferde, und sie müssen nicht mit Stroh und Hafer versorgt werden.«
Das reichte aus, um ihnen klarzumachen, was ihrer Familie zugestoßen war. »Nun ja, in der Welt, aus der ich komme, haben wir Gefährte, die dasselbe leisten wie eure magischen Kutschen, und viele glatte, gerade Straßen, auf denen man hohe Geschwindigkeiten erreichen kann. Und vor drei Jahren hat ein betrunkener Idiot die Kontrolle über seinen pferdelosen Wagen verloren und ist in den meiner Eltern gerast – ungebremst, sodass alle drei auf der Stelle tot waren.«
»Dann spreche ich Euch mein Beileid aus – auch in Sabers Namen«, fügte der jüngere Mann hinzu und bedachte seinen Bruder, der ihn ob dieser Anmaßung finster anstarrte, mit einem herausfordernden Blick. »Unsere Mutter Annia starb zusammen mit unserer tot geborenen Schwester im Kindbett. Als unser Vater Saveno ein Jahr später am Fieber erkrankte, brachte er nicht genug Willenskraft auf, um ohne sie weiterzuleben, und erlag trotz all unserer Bemühungen, ihn zu heilen, schließlich seiner Krankheit. Also sind wir sozusagen auch Waisen. Und Verbannte, einfach nur, weil wir das Verbrechen begangen haben, geboren zu werden.«
»Das tut mir leid«, erwiderte Kelly aufrichtig. Es musste auch schwer sein, seine Eltern auf diese Weise zu verlieren. Dann konzentrierte sie sich wieder auf ihr momentanes Problem, und erneut wallte Ärger in ihr auf. »Aber das ändert nichts daran, dass Saber mich herumkommandiert – er hat sogar gedroht, mich mit einem Zauberbann zu belegen!«, entrüstete sie sich, eine Faust in Sabers Richtung schüttelnd.
»Aber nur, weil diese halsstarrige Närrin nicht weiß, was gut für sie ist!«
»Als ob du ein Experte für Frauen wärst, Mr. Ach-icharmer-Verbannter!«, höhnte sie, dabei schlug sie sich mit einer Hand auf die Hüfte.
» Das reicht .« Die leise, aber schneidende Stimme setzte ihrer Auseinandersetzung ein jähes Ende. Der jüngere Nightfall-Bruder musterte erst Kelly, dann Saber, richtete sich anschließend auf, und sein Blick kehrte zu der ersten Frau aus Fleisch und Blut zurück, die sie alle nach drei Jahren wieder zu Gesicht bekamen. »In einem Punkt hat er recht, Lady Kelly – während Ihr bei uns zu Gast seid, solltet Ihr ausreichend essen und Eure Kräfte zurückgewinnen. Und macht Euch keine Gedanken darum, wo Euer Essen herkommt. Ihr braucht Euch auch nichts für den nächsten Tag aufzuheben, wir verfügen über reichliche Vorräte und handeln auch manches für die Dinge ein, die wir hier herstellen. Also esst, so viel Ihr könnt, um das Gewicht wieder aufzuholen, das Ihr während der hinter Euch liegenden schweren Zeit verloren habt.
Und sie hat insofern recht«, fügte er hinzu, als Saber die Arme verschränkte und ein selbstgefälliges Lächeln um seine Lippen spielte, »als dass du eigentlich wissen müsstest, dass man eine Frau mit so viel angeborener Energie nicht
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