Die Söhne der Wölfin
selbst sehr gut darin, sich zu rächen.«
»Sie ist krank«, entgegnete Faustulus kalt. »Aber ich werde sie heilen. Du wirst schon sehen.«
Nach zwei Tagen war klar, daß Faustulus Ulsna keine Gelegenheit geben wollte, allein mit Ilian zu sein. Ständig heftete sich einer der beiden Zwillinge an ihre Fersen, wenn es Faustulus nicht selbst tat. Schließlich beschloß Ulsna, das Kind zu ignorieren, und sprach auf ägyptisch mit Ilian über das, was er seit ihrer Trennung erfahren hatte. Seine Lieder über den gottlosen König von Alba und die zu Unrecht verstoßene Ilian, die vom Kriegsgott selbst erwählt worden war, hatten in den Städten wie Xaire oder Velx, die den meisten Handel mit Griechen trieben, die gläubigste Aufnahme gefunden. In Tarchna, der Stadt, in der ihr Vater Numitor seinerzeit Zuflucht gesucht hatte, wußten seine Zuhörer sogar von sich aus zu berichten, das Orakel von Delphi selbst habe die Unschuld der Edlen Ilian und die göttliche Herkunft ihres Kindes bestätigt.
»Es scheint also, daß Iolaos seinen Teil der Abmachung erfüllt«, schloß er, »und dir den Boden bereitet. Doch ich habe auch andere Dinge gehört. Dein Vater lebt noch, weißt du? Er ist alt und halb taub, so daß ich nicht aufgefordert wurde, vor ihm zu spielen, aber er lebt. Und sein Bruder, der König von Alba, hat ihm auf seine alten Tage noch einige Diener aus der Heimat geschickt, die, da ist sich jeder sicher, ihn bespitzeln sollen. Es heißt, König Arnth suche fieberhaft nach den Urhebern all der Gerüchte. Der Boden in Tarchna mag fruchtbar sein, aber mir wurde er sehr bald zu heiß.«
Es störte ihn allmählich, daß ihm der kleine Romulus so still und aufmerksam zuhörte, obwohl er kein Wort verstehen konnte und sich mit Sicherheit langweilte. Ein solches Verhalten war bei einem Kind unnatürlich.
»Du bringst ihm doch kein Ägyptisch bei, oder?« fragte er plötzlich.
Ilian schüttelte den Kopf. »Nein. Unsere Sprache und ein wenig Griechisch. Er kann nur sehr geduldig sein, wenn er will, und er traut keinem von uns beiden auch nur im geringsten.«
»Das klingt ja so, als ob...«
»O ja, er haßt mich.« Sie lächelte schwach, doch Ulsna erkannte die Traurigkeit in ihren Augen. »Da hast du meine Strafe für neun Jahre Abwesenheit, alter Freund. Einer von meinen Söhnen hat mir sein Herz geöffnet, aber ich glaube nicht, daß er gegen Arnth bestehen wird, und der andere ist mir so ähnlich, daß er mich nur hassen kann.«
»Dein Mann liebt dich«, stellte Ulsna nach kurzem Schweigen fest. »Er möchte unbedingt glauben, daß du für immer zu ihm zurückgekehrt bist. Wie lange soll das noch weitergehen, Ilian?«
Sie begann damit, das Schiffchen eines Webstuhls, den ihr Faustulus erst vor kurzem gezimmert hatte, mit einem Wollfaden zu umwickeln.
»Solange es notwendig ist.« Sie schaute wieder zu dem Jungen. »Du mußt noch etwas für mich herausfinden, Ulsna. Geh nach Alba.«
»Aber Ilian«, protestierte er, »wenn ich als der Barde erkannt werde, der die zwölf Städte mit aufrührerischen Liedern gegen König Arnth beglückt hat, dann...«
»Bei aller Bewunderung für deine Kunst, Ulsna, das wird nicht geschehen. Niemand achtet auf die Gesichter von Musikern, selbst bei uns nicht. Außerdem brauchst du nicht lange dort zu verweilen, und natürlich erwarte ich nicht, daß du in Alba Lieder über mich singst. Höre dich nur im Volk um und berichte mir dann, was man über Arnth sagt. Er ist ein fähiger Herrscher, weißt du. Es mag sein, daß alle Orakel der Welt ihm da nichts anhaben können, wo er für Wohlstand und Sicherheit sorgt. Und«, setzte sie hinzu, »frage, ob die Hohepriesterin Fasti noch lebt.« Aus ihrem Gesicht wich jeder Anflug von Weichheit und Bedauern. »Das hoffe ich nämlich. Ich hoffe es sehr.«
Die Zwillinge waren sich einig, erleichtert über das Verschwinden des Barden Ulsna zu sein. Zugegeben, seine Geschichten und Lieder sprachen für ihn, doch sie hätten blind und taub sein müssen, um nicht zu merken, daß der Vater ihn nicht mochte. Außerdem mußten sie ihr Lager mit ihm teilen, solange er bei ihnen wohnte, und Remus gestand seinem Bruder im nachhinein, befürchtet zu haben, er werde ihnen Larentia wieder wegnehmen.
»Das würde mich nicht kümmern«, erklärte Romulus, »aber die Leute hier im Dorf würden dann über den Vater lachen.«
Remus versetzte ihm einen Rippenstoß. »Es würde dich schon kümmern«, sagte er grinsend, »Glaub nicht, daß ich nicht merke,
Weitere Kostenlose Bücher