Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
Fall war, kaum bereit waren, ihn in ihr Heim einzuladen, damit er feststellen konnte, wie sie ihre Tiere behandelten. Im Dorf, wo jeder jeden kannte, hätte er schon gewußt, wer Xanthos bekommen würde, wenn er ihn schon nicht behalten durfte. Aber hier gab es so viele Menschen. Er sagte etwas in dieser Richtung zu dem Barden, und dessen Antwort beruhigte ihn keineswegs.
    »Warte, bis du Korinth gesehen hast. Oder Athen. Und sie sind Dörfer im Vergleich zu Sais. Und Sais wiederum verblaßt vor Theben. Theben, das ist eine Stadt, die nur Götter und Riesen erbaut haben können«, schloß Ulsna versonnen.
    Früher wäre die Aussicht auf eine Stadt, erbaut von Göttern und Riesen, nichts als ein aufregendes Abenteuer gewesen. Mittlerweile schmeckte sie ihm wie ein unvertrautes Gericht, das sich auch als giftig entpuppen mochte. Er beschloß, sich auf keinen Fall anmerken zu lassen, wie sehr ihn bereits die vielen Leute in Fregenae durcheinanderbrachten.
    Da er nur jedes dritte Wort verstand, erleichterte es ihn, seine Mutter neben sich zu haben, die ihm übersetzte, was er nicht begriff. Nicht, daß er ihr bereits wieder vertraute oder daß die Gedanken an das eingefallene Gesicht des Vaters oder Romulus’ entsetzten Blick weniger weh tat. Doch es war nicht Remus’ Art, jemandem lange zu grollen, wenn dieser Jemand ihn darin nicht weiter ermutigte, und er war noch nie zuvor in seinem Leben einsam gewesen. Die Mutter hatte Böses getan, aber jetzt war sie für ihn da und verstand, daß man Xanthos nicht einfach auf dem Markt verhökern konnte, wie es mit dem Pferd des Barden geschehen war. Er begriff nicht, wieso Ulsna das so selbstverständlich nahm, hatte er doch geglaubt, daß der Umgang des Barden mit seinem Pferd Tierverstand verriet.
    Endlich fanden sie einen jungen Mann, der wie Numa nach Tarchna wollte, um dort seine Dienste als Krieger anzubieten, und im Gegensatz zu den anderen nicht nur die Fesseln oder das Maul des Pferdes untersuchte, sondern Xanthos auch einen Apfel zum Fressen hinhielt. Außerdem sprach er ein wenig von Remus’ eigener Sprache, weil seine Mutter, wie er erzählte, eine Sabinerin gewesen sei. Remus fühlte sich ihm auf Anhieb verwandt und hätte ihn gern gefragt, wie es für ihn gewesen war, unter all diesen Fremden aufzuwachsen, bis ihm gerade noch rechtzeitig einfiel, daß der andere sich vermutlich als einer der Tusci sah, nicht als Sabiner. Der junge Mann, der sich als Lars vorstellte, bot einen Ballen Leinen zum Tausch an, und Remus warf seiner Mutter einen bittenden Blick zu. Er konnte sich nicht vorstellen, daß ein Ballen Leinen ein Pferd wert war; was zählte Stoff schon gegen ein solches Tier? Aber Lars wirkte wie jemand, dem er Xanthos anvertrauen konnte, und das war bisher bei keinem so gewesen.
    Sie musterte ihn gerade lange genug, um ihn glauben zu lassen, sie werde das Leinen ablehnen, ehe sie nickte und mit Lars handelseinig wurde. Erst da wurde Remus bewußt, daß er den Atem angehalten hatte. Im Grunde war es dumm von ihm, denn wenn sie noch eine Weile weitergesucht hätten, dann hätte er auch den Abschied von Xanthos etwas hinauszögern können. Er drückte sein Gesicht gegen den Hals des Pferdes, doch zumindest blieb es ihm diesmal erspart, in Tränen auszubrechen. Es schien, als wären sie alle am gestrigen Abend vergossen worden.
    »Es wird ihm gut bei mir gehen«, versicherte Lars in der Sprache, die Sabiner und Latiner sich teilten, und Remus beschloß, ihm noch etwas anzuvertrauen.
    »Wenn du in Tarchna einen Krieger namens Numa Pompilius triffst«, sagte er hastig und fragte sich bei jedem Wort, ob seine Mutter ihn wohl unterbrechen würde, »dann bitte ihn, sein Dorf zu besuchen und zu Faustulus zu gehen. Er soll ihm sagen, daß es mir gut geht, ihm und meinem Bruder Romulus.«
    Romulus würde sich Sorgen um ihn machen, ohne das jemals zuzugeben. Was den Vater anging, so hegte Remus die Befürchtung, er würde es genauso machen wie früher bei der Mutter und nie wieder von sich aus seinen Namen erwähnen.
    »Wird gemacht, Junge«, versprach Lars gutmütig. Als er sich schließlich voller Stolz mit seinem neuen Pferd trollte, starrte Remus ihm mit einem Kloß in der Kehle nach und merkte kaum, daß seine Mutter ihm den Leinenballen in die Arme drückte, bis er ihre Stimme hörte.
    »Ist es zu schwer für dich?«
    Es bestürzte ihn, daß sie so etwas fragte, und er rang vergeblich um eine Antwort, bis sie hinzufügte: »Das Leinen.«
    »Oh. Nein. Zu Hause habe

Weitere Kostenlose Bücher