Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
ich viel schwerere Sachen geschleppt.«
    Obwohl der Stoff sich nicht als die Kleinigkeit erwies, die er erwartet hatte. Er trottete eine Weile stumm neben ihr her. Der Barde war verschwunden, seit sie sein Pferd verkauft hatten, um irgendwelche Dinge zu erledigen, die mit dem Schiff zu tun hatten, so daß sie allein waren.
    »Du könntest deinem Bruder schreiben, weißt du?« sagte sie, ohne stehenzubleiben.
    Remus schaute zu ihr hoch. Seit sie in diese Stadt gekommen waren, trug sie unter freiem Himmel ihr Haar unter einem Kopftuch versteckt, wie die Frauen daheim es taten, wenn es nicht genug Männer für die Arbeit auf den Feldern gab und sie helfen mußten. Doch es vermittelte ihm kein angenehmes Gefühl der Vertrautheit, weil es nicht zu ihr paßte. Es machte sie älter und noch fremdartiger.
    »Das ist auch eine Art, um die Schriftzeichen zu nutzen, die ich euch beigebracht habe. Man verfaßt damit Botschaften.«
    Der Gedanke, die Schriftzeichen als etwas anderes als ein vertracktes Spiel zu betrachten, war ihm noch nie gekommen. Seine Stimmung hellte sich auf, nur um sich gleich wieder zu verdüstern, als er über das Wie nachgrübelte.
    »Aber wie soll ich ihm eine Botschaft schicken? Ich kenne doch niemanden da, wo du mit mir hinwillst, und ganz bestimmt weiß keiner den Weg.«
    »Nun, Lars hast du bis heute auch nicht gekannt«, entgegnete seine Mutter sachlich. »Es findet sich immer ein Weg, wenn man etwas wirklich will. Außerdem«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu, »bin ich eine Magierin, hast du das vergessen? Ich kann beinahe alles geschehen lassen.«
    Remus beschloß, das als Versprechen und nicht als Drohung zu nehmen, und ein weiteres Stück der bitteren Kruste, die ihn beschwerte und schützte, fiel von seinem Herzen.

    Ein Schiff, so fand Remus, ähnelte ein wenig dem Spielzeug auf Rollen, das ihm die Mutter mitgebracht hatte, nur war es rot angemalt, nicht grün wie sein Krokodil, in dem Romulus beharrlich nur eine Eidechse gesehen hatte. Ein Schiff besaß auch ein spitzes Maul, mit Augen und Zähnen daraufgepinselt.
    »Früher hatten nur Kriegsschiffe Rammsporne«, erklärte seine Mutter, die seinem Blick gefolgt war, »aber in der letzten Zeit gibt es mehr und mehr Seeräuberei, deswegen sind auch die neuen Handelsschiffe mit solchen Schnäbeln versehen.«
    Es gab eine Menge neuer Ausdrücke zu lernen. Der Baum in der Mitte wurde Mast genannt. An ihm hing ein riesiges, rechteckiges, ebenfalls rotes Tuch, das mit dicken Stricken, die Ulsna als »Taue« bezeichnete, an beide Seiten des Schiffes und an das Fußende des Mastes gebunden wurde, als man es von dem langen, quer gelegten Ast an der Spitze herunterließ. Der leichte Sommerwind, der vom Land kam und einem den Geruch vom Fischmarkt in die Nase trieb, beulte das Tuch aus, was von den Männern auf dem Schiff mit einem erleichterten Aufschrei zur Kenntnis genommen wurde.
    »Sie müssen nicht rudern, wenn der Wind in die gewünschte Richtung bläst«, sagte Ulsna. Er und die Mutter behielten Remus ständig im Auge und hatten ihm eingeschärft, sich auf keinen Streit mit den Seeleuten einzulassen, sondern um Hilfe zu rufen, falls ihn jemand angriff. Insgeheim war er gekränkt über den Mangel an Vertrauen in seine Kampffähigkeiten und beschloß, nichts dergleichen zu tun. Im übrigen kam ihm die Besatzung des Schiffes nicht viel anders als die Hirten und Bauern daheim vor, kurz angebunden, gewiß, aber er verstand ohnehin kaum, was sie sagten, und richtete sich mehr nach den Gesten. Auf jeden Fall wollte er den Baum - Mast - erklettern, wenn sich die Gelegenheit dazu bot.
    Ulsna stimmte ein Lied an, das er ebenfalls nicht verstand, in das die Männer an Bord jedoch einfielen. Die Melodie war einprägsam, und nach einer Weile summte Remus mit, bis er sich wieder daran erinnerte, daß sich mit den Umrissen des Tusci-Hafens, die immer kleiner wurden, auch sein ganzes bisheriges Leben rascher und rascher entfernte. Er kam sich wie ein Verräter vor. Romulus würde ihn gewiß einen Verräter nennen. Abrupt verstummte er, doch er hatte keine Zeit, den Gedanken länger auszuspinnen. Einer der Seeleute rief ihm etwas zu, und seine Mutter übersetzte: »Er sagt: Schau, Junge - Delphine!«
    Sie klang selbst aufgeregt, erfaßte seine Hand und zog ihn zur Reling. »So nahe am Hafen habe ich sie noch nie gesehen. Das ist ein gutes Vorzeichen!«
    Während er gebannt die großen Fische beobachtete, die durch die Luft sprangen und kleine, kluge

Weitere Kostenlose Bücher