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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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weiß, hat Arion inzwischen vier oder fünf. Gibt es einen Weg, meinen Sohn mit ihnen erziehen zu lassen, ohne seine Frau und ihre Familie auf das fürchterlichste zu beleidigen? Und wenn nicht, hat einer deiner Freunde Söhne in Remus’ Alter?«
    Prokne lachte. »An deiner Stelle würde ich mir um Arions Frau keine Sorgen machen. Sie glaubt ohnehin, daß du mit ihm schläfst, aber seit das Orakel von Delphi seine schützende Hand über dich hält, würde es niemand wagen, dergleichen laut auszusprechen. Und da du dafür gesorgt hast, daß Arions Handel ständig wächst und gedeiht, wird er ihr vermutlich sogar verbieten, von so etwas in ihrem eigenen Schlafgemach zu reden.«
    »Das würde nichts nützen, wenn sie dafür ihre Kinder anstiftet, meinem Sohn das Leben schwer zu machen. Im übrigen hat Arions Handel gerade einen Abnehmer eingebüßt, wenngleich, wie ich hoffe, nicht für immer, und daher gehe ich nicht davon aus, daß er meinetwegen Streit mit seiner Frau anfangen würde. Was, wenn ich ihr nun schwöre, keine unlauteren Beziehungen zu ihrem Mann zu haben?«
    »Dann beleidigst du seine Männlichkeit, weil er nämlich all seinen Freunden gegenüber hat durchblicken lassen, daß du genau das tust. Außerdem würde sie dir vermutlich trotzdem nicht glauben. Denk daran, was ich dir über die Vorstellungskraft beigebracht habe. Niemand verzichtet darauf, sich das Tier mit den zwei Rücken auszumalen, wenn es dafür nur den geringsten Anlaß gibt.«
    »Gut, wie steht es dann mit deinen Freunden?« beharrte Ilian, und Prokne warf ihr einen neugierigen Blick zu. Sie war sich nicht sicher, ob sie Ilian die Rolle der besorgten Mutter abnahm. Zu Ilian kam ihr viel in den Sinn, aber das Wort »mütterlich« gehörte nicht dazu. Einige ihrer früheren Gönner, zu denen sie immer noch freundschaftliche Beziehungen unterhielt, hatten in der Tat Kinder im passenden Alter, doch sie bezweifelte, ob sie begeistert von dem Ansinnen wären, einen kleinen Barbaren zusammen mit ihnen erziehen zu lassen, und sie konnte nicht umhin, dieser Meinung Ausdruck zu verleihen.
    »Mein Sohn«, sagte Ilian kühl, »trägt das Blut von Königen und Göttern in sich. Er ist mehr als gut genug für die Sprößlinge griechischer Krämer.«
    Aus Ilian die Arroganz herauszukitzeln, die in der jungen Frau schlummerte, hatte immer etwas Anregendes. Prokne fühlte sich mehr belustigt als beleidigt, und sie lehnte sich noch etwas vor, um Ilian, die auf der Liege ihr gegenüber Platz genommen hatte, genauer in Augenschein zu nehmen.
    »Sind wir etwa wieder bei der Geschichte von der Königstochter und dem Kriegsgott angelangt?« hänselte sie. »Wirklich, Ilian, ich weiß nicht, wie du das Orakel von Delphi dazu bekommen hast, sie für dich zu bestätigen, aber mir brauchst du das doch nicht zu erzählen. Ich habe dich zu menschlich erlebt, um dich für eine Göttin zu halten.«
    »Ich habe nie behauptet, eine Göttin zu sein. Aber ich bin die Tochter eines Königs, und die Götter sprechen zu mir«, entgegnete Ilian, ohne eine Miene zu verziehen. »Sie geben mir Macht, und sie lassen mich Dinge erkennen. Ich sehe dich altern, Prokne, weißt du das? Ich sehe dich besser, als dein Spiegel dich sieht, denn ich sehe dich in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zugleich. Aber deine Sehkraft ist nicht mehr ganz so wie früher, nicht wahr? Ist dir klar, daß du gerade vorhin etwas die Augen zusammengekniffen hast, um mich besser betrachten zu können?«
    Sie erhob sich mit der gleitenden, fließenden Bewegung, die Prokne sie gelehrt hatte, und noch ehe Prokne empört Atem geholt hatte, kniete Ilian neben ihr.
    »So ist es besser«, sagte sie leise. »So brauchst du deine Haut nicht in Falten zu legen, die bleiben könnten, nur weil deine Augen nicht mehr so klar sehen wie früher, Prokne. Aber meine tun es.« Sie legte einen Finger auf Proknes Kehle und fuhr mit ihm über den Hals bis zum Schulterblatt. »Nicht mehr ganz so glatt wie früher«, murmelte sie. »Und was kommt als nächstes, Prokne? Wirst du deinen Busen hochgürten müssen oder mit noch mehr Ketten bedecken, damit niemand erkennt, wie er erschlafft? Und wenn gar nichts mehr hilft, was dann?«
    Proknes Rechte fuhr hoch und packte Ilians Handgelenk. »Du kleines, undankbares Miststück«, zischte sie. »Du wirst mir nicht erzählen, daß du ein Mittel gegen das Altern weißt, weil ich dir das ganz bestimmt nicht glauben werde.«
    Ohne sich zu rühren, gab Ilian zurück: »Nicht gegen das

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