Die Söhne der Wölfin
von assyrischen Oberherren abhängen, setzt, schmeichelt mir. In meiner eigenen Bescheidenheit fürchte ich, das Schicksal Thebens wäre so oder so besiegelt gewesen. Aber laß mich die Schmeichelei erwidern: Ich bin sicher, daß die Edlen der Insel Korkyra noch stärkere Worte des Gottes zu hören bekommen als nur Mißfallen .
Die Liste mit ägyptischen Schriftzeichen liegt bei, doch ich fürchte, sie nützt Dir wenig ohne eine Kenntnis der ägyptischen Sprache. Als ich Dir seinerzeit erstmals Dokumente übergab, handelte es sich um meine eigenen, in jahrelanger Arbeit hergestellten Übersetzungen; der ehrenwerte Neter-Nacht jedoch sieht keinen Grund, Abschriften in einer anderen Sprache als der seinen verfassen zu lassen. Ich wäre durchaus bereit, auch weiterhin zu übersetzen, doch fürchte ich, daß ich die Gastfreundschaft der Diener des Gottes in Korinth schon zu lange in Anspruch nehme. Derartig von Schuldgefühlen belastet, kann ich kaum richtig arbeiten. Ein eigenes Haus hingegen, mit einer eigenen Dienerschaft, würde die geeignete Umgebung bieten, um allen Dokumenten, die aus Ägypten hier eintreffen, eine griechische Übersetzung beizufügen. Und, das versteht sich von selbst, meinen Sohn in größter Dankbarkeit zu dem Gott zu erziehen.
Gesundheit und ein langes Leben. Ilian.
Romulus an Remus, Grüße. Mein lieber Bruder, Deine Botschaft hat mindestens ein Jahr gebraucht, um mich zu erreichen. Da der Bote uns nicht mehr in unserem Dorf vorfand, hat er sie bei Pompilius hinterlassen, der sie wiederum seinem Sohn Numa übergab, als dieser ihn besuchte. Ich sehe Numa recht oft; schicke weitere Botschaften an ihn nach Tarchna.
Oh, es geht mir gut, wie auch unserem Vater. Wir hüten für den König von Tarchna die Schweine, in einem Dorf nicht weit von der Stadt.
Ich gebe den Schweinen keine Namen mehr.
Romulus.
Romulus an Ilian, Grüße. Es wird nicht einfach sein, in Tarchna einen Griechen zu finden, der nach Korinth reist, vor allem, da Faustulus mich immer noch kaum in die Stadt läßt. Du hast Dein Gefängnis zu meinem gemacht. Vielleicht schreibe ich diese Worte nur, um mich in einer der Fertigkeiten zu üben, die Du mich gelehrt hast. Laß mich Dir sagen, Du hast mich gut gelehrt, und ich bin Dir für jede weitere Lektion dankbar. Ich glaube nicht, daß ich Deine Schriftrollen jemandem zeigen werde, nicht den Brief und nicht das, was Du mir sonst noch hinterlassen hast, aber man kann nie wissen, was die Zukunft bringt, nicht wahr?
Ich sammele inzwischen Geschichten über Dich, Geliebte des Mars. Sag mir, hat es weh getan, als man Dich vor aller Augen als eidbrüchige Hure verstoßen hat?
Ich träume ebenfalls von Dir. Mach Dir keine Sorgen, ich werde überleben. Ich bin kein Kind mehr.
Romulus.
Remus an Romulus, Grüße. Lieber Bruder, ich bin so froh, endlich von Dir zu hören. Es ist so viel geschehen, seit ich die letzte Botschaft geschickt habe. Wir wohnen jetzt in unserem eigenen Haus, aber ich muß noch immer einmal am Tag mit der Mutter in den Tempel des Apollon gehen, um zu beten. Sie hat mir erklärt, weswegen, doch das sage ich Dir, wenn wir uns wiedertreffen. Es ist geheim. Wir werden uns bestimmt wiedersehen. Sobald ich alt genug bin, kehren wir zurück. Es gibt viel zu tun.
Ich hoffe, Du hast Freunde in dem neuen Dorf gefunden. Wenigstens kennst Du schon Numa! Hier in Korinth kenne ich mittlerweile fast jeden tapferen Jungen, und es sind gute Kameraden dabei. Aber sie verstehen nichts von Schweinen und Kühen. Demnächst reist die Mutter nach Korkyra. Das wird eine kurze Reise, nicht so lange wie die, die sie nach Ägypten gemacht hat, und deswegen nimmt sie mich diesmal mit. Sie sagt, in Korkyra gibt es ein paar Tusci, und wir finden sicher jemanden, dem ich diese Botschaft mitgeben kann. Daher hoffe ich, daß es nicht wieder so lange dauert, bis sie Dich erreicht. Aber schick die Antwort wieder nach Korinth, da leben wir.
Sei nochmals gegrüßt von Deinem Bruder Remus.
Ilian an Romulus, Grüße. Beiliegend findest Du eine weitere Schriftrolle, deren Verwendung Dir freisteht. Es ist eine kleine Geschichte über die Könige von Mykene. Ja, ich habe Deine Freiheit gegen meine eingetauscht, doch es gibt viele Arten von Freiheit - und von Gefängnissen.
Mars? Ist das der Name, den die Latiner für ihn haben?
Was auch immer ich an jenem Tag empfunden haben mag, liegt hinter mir. Es war kein schlechter Versuch Deinerseits, aber Du mußt etwas anderes finden, um mich zu
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