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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ließ einen weiteren Romulus aushändigen. Unterdessen räusperte sich der glatzköpfige Priester Caths und erklärte, er habe zwei Schwerter mit sich gebracht, die beide von der gesamten Priesterschaft geprüft und für diesen Zweck geweiht worden seien. Amulius lächelte schwach und sandte einen weiteren Krieger, um die Schwerter in Empfang zu nehmen und zu ihm zu bringen. Er nahm beide in die Hände, fuhr mit ihnen durch die Luft, drehte sich dann mit einer plötzlichen Bewegung zu Romulus um und warf ihm eine der Klingen zu. Falls es ein Versuch gewesen sein sollte, ihn zu verunsichern, so war er mißglückt; Romulus, der als Hirte mit Schleudern aller Arten vertraut war, fing das Schwert ohne Schwierigkeiten am Knauf.
    Es erwies sich als eine schöne Klinge aus Eisen, wie Ilians Geschenk an ihn, nicht aus Bronze, was auch bedeutete, daß es sich um keine alte Waffe handeln konnte. Romulus erkannte auch keine Gravierungen. Das Gewicht war etwas größer als das der Schwerter, mit denen er geübt hatte, aber es war immer noch leichter als die schweren Knüppel, mit denen Hirten einander prügelten oder ihr Vieh gegen Wölfe schützten. Er ignorierte das taube Gefühl im linken kleinen Finger, als er den dargebotenen Schild hochnahm, während er mit der Rechten das Schwert, wie eben noch der König, durch die Luft gleiten ließ.
    Man machte ihnen Platz, um ihnen Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Es waren die Krieger des Königs, die die Zuschauer zurückhielten, doch aus den Augenwinkeln sah er, daß sich auch einige Priester in die vorderste Reihe gedrängt hatten. Seine Mutter zählte nicht zu ihnen. Er konnte sie nicht mehr sehen, und einen Augenblick vergaß er sogar, sich darüber zu wundern. Es gab nur noch ihn und Amulius.
    Sie griffen an, beide im selben Augenblick. Romulus sprang mit einem schnellen Satz auf Amulius zu, schwang sein Schwert nach dessen Schädel und hob im letzten Moment den Schild, um der Klinge des Königs zu entgehen und seinem eigenen Hieb, so weit es ging, noch eine andere Richtung zu geben. Das Schwert des anderen schrammte über seinen rechten Arm, zerschnitt seinen Chiton und ritzte seine Haut. Es war ein Wunder, daß es nicht tiefer drang. Bevor sein eigenes Schwert die linke Schulter des Königs treffen konnte, hatte Amulius seinen Schild hochgerissen. Sie taumelten beide zurück und begannen, einander zu umkreisen.
    Amulius führte eine plötzliche Attacke aus. Statt sie abzuwehren, wich Romulus zur Seite, und als der König vom eigenen Schwung an ihm vorbeigetrieben wurde, hieb er nach dessen Rücken. Es hätte ein Hieb sein sollen, der Amulius zweiteilte, doch der König mußte diesen Zug vorausgesehen haben. Er ließ sich fallen, rollte außer Reichweite und kam rasch wieder auf die Beine.
    Er ist gut, dachte Romulus, wirklich gut und viel erfahrener als ich. Aber ich bin jünger. Das bedeutet, ich kann auch schneller sein. Und kräftiger.
    Wieder umkreisten sie sich, doch als Amulius diesmal angriff, beschränkte sich Romulus darauf, ihm auszuweichen. Er tänzelte vor Amulius auf und ab, nach rechts, nach links, und machte nur wenige Versuche, mit seiner eigenen Klinge unter die Deckung des Königs zu gelangen. Dafür achtete er auf Anzeichen, daß der fortgesetzte Angriff, die Notwendigkeit, Schild und Schwert ununterbrochen hochzuhalten, Amulius zu ermüden begannen. Seine eigene Taktik sah anders aus. Was hatte seine Mutter gesagt? Stoßen, nicht schlagen. Er stach mit seinem Schwert immer wieder nach den ungeschützten Beinen, was bei den Umstehenden bald Gemurre auslöste, aber seinem Gegner immer mehr kleine Wunden zufügte.
    Sie keuchten bald beide, doch Amulius ließ nicht nach. Nur die knotigen Adern auf seinem Arm, die anschwollen, und die Rinnsale von Blut an seinen Beinen zeigten, welche Anstrengung ihn der Kampf kostete. Als der König den Schildarm zur Seite sinken ließ, um alle Kraft in einen Schlag zu legen, gestattete sich Romulus keinen Moment der Furcht oder des Triumphes. Er tauchte unter der herabsausenden Klinge hindurch, drängte mit seinem Schild den des Königs nach außen und stach nach Amulius’ Kehle.
    Das Eindringen in weiches Fleisch, der plötzliche Gegendruck, als sein Schwert auf Knochen traf, all das registrierte Romulus erst, als er sein rechtes Bein bereits in denen von Amulius verhakt hatte, um den König zu Fall zu bringen. Sie stürzten beide zu Boden, und Romulus nützte den Aufprall, um Amulius das Schwert aus der Hand zu schlagen,

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