Die Söhne der Wölfin
es so aussah, als würde Faustulus die Tochter seines Freundes heiraten, das bringt Unglück und ist nicht gut fürs Kind . Nein, Faustulus wollte nicht mit Larentia schlafen, aber das Bedürfnis, von ihr berührt zu werden, diese schönen, selten ruhigen Hände auf seinem Gesicht zu spüren, in seinen eigenen Händen, auf seinen Armen, irgendwo an seinem Körper, war mit einemmal überwältigend.
Um sich abzulenken, fragte er hastig: »Was ist so besonders an einem Saeculum?«
»Jedem Volk sind eine bestimmte Anzahl an Saecula zugeteilt«, antwortete Larentia ernst und starrte ins Feuer, ohne mit dem Gleiten der Schnur durch ihre Finger innezuhalten. »Für die Rasna sollten es zehn sein. Wir sind in unserem fünften. Aber es gab... Zeichen... dafür, daß in diesem Saeculum etwas geschieht. Etwas, das unsere übrigen Saecula entweder verschlingt oder bis ins Unendliche ausdehnt.«
Eigentlich wollte er nichts mehr davon wissen. Es war genau die Art Gerede, die sie unzugänglich sein ließ oder in ihre unheimlichen Stimmungen versetzte. Außerdem war er müde und erschöpft von der täglichen Arbeit, die inzwischen, da Larentia nicht mehr soviel wie am Anfang helfen konnte, zum größten Teil auf seinen Schultern lag. Aber etwas trieb Faustulus zu dieser Frage:
»Wie viele Saecula haben wir vor uns? Die Latiner?«
Die Schnur fiel unbeachtet aus ihren Händen, als sie aufstand und sich von der Feuerstelle abwandte.
»Ich weiß es nicht. Kein Priester, der mir bekannt ist, hat jemals versucht, die Zeichen für die Latiner zu deuten, und ich kann es jetzt nicht tun. Ich bin keine Priesterin mehr.«
Er hatte ihr anfangs beibringen müssen, zu kochen. Erfreulicherweise hatte sie keine Schwierigkeiten damit, die Hasen oder Fische auszuweiden, die er mit seinen Fallen und Netzen gelegentlich fing; sie war mit den Eingeweiden von Opfertieren vertraut. Eine Mahlzeit selbst zuzubereiten, im Gegensatz zu dem bloßen Beaufsichtigen einer Küche, war ihr dagegen neu gewesen, und in den ersten Monaten tat sie es auf die gleiche Art, wie sie die Kühe versorgte: energisch, aber als sei es eine auferlegte Buße, die sie so rasch wie möglich hinter sich bringen wollte und an der sie keine Freude empfand.
Mit dem Beginn des Winters allerdings stellte sich eine Veränderung ein. Es mußte ihr aufgefallen sein, daß Faustulus eine Vorliebe für Brühen hatte, denn sie begann sie öfter zuzubereiten. Als er einmal von einem Festschmaus für die Krieger in Alba sprach, bei dem ihnen Gerichte vorgesetzt worden waren, die er vorher und nachher nicht mehr gekostet hatte, sagte sie nichts, aber danach bat sie ihn, ihr vom Flußdorf einige Gewürze mitzubringen, und wenig später bekam er eines der letzten Täubchen, das er vor Winteranbruch noch hatte fangen können, so vorgesetzt, daß es tatsächlich ein wenig an den Pfau erinnerte, den er in Alba verzehrt hatte.
»Meine Frau ist eine gute Frau«, meinte er aufgeräumt zu Pompilius, als er mit ihm vereinbarte, seine Kühe, die von dem Stier in Alba nicht trächtig geworden waren, von Pompilius’ Bullen decken zu lassen und in der Zwischenzeit dessen Esel als Zugtier für seinen Pflug auszuleihen. Die Tusci mochten merkwürdige Sitten haben, aber daß sie Tiere vor die Pflüge spannten, fand Faustulus vernünftig. Außerdem wollte er nicht, daß sein Weib den Pflug für ihn ziehen mußte, jetzt, wo die Dinge zwischen ihnen so gut liefen.
Er war in der Stimmung zu prahlen, vor allem, weil Pompilius gar so selbstzufrieden dreinblickte. »Gut essen und trinken und ein sauberes Haus, was will ein Mann mehr?«
»Ein warmes Bett?« gab Pompilius zurück und grinste. »Warum bekommen wir es denn nie zu sehen, dein wunderbares Weib? So ganz allein zu sein, das ist doch nicht richtig für eine Frau, und gerade wenn ein Kleines auf dem Weg ist. Bring sie mit, wenn du das nächste Mal kommst. Das Weib ist noch nicht geboren, das nicht gern mit anderen Weibern zusammensitzt und schwatzt. Meines fragt mich schon die ganze Zeit, was es mit dem deinen auf sich hat.«
»Jemand muß sich um den Hof kümmern, wenn ich fort bin«, entgegnete Faustulus, doch was Pompilius gesagt hatte, setzte sich nachhaltig in seinem Kopf fest. Jetzt, wo er darüber nachdachte, wurde ihm bewußt, wie unnatürlich es für eine Frau war, so allein zu sein, da hatte Pompilius recht. Außerdem wollte er schlicht und einfach beneidet werden, wenn er Larentia den anderen vorstellte. In ihrem Zustand würden die jungen
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