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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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zehn Tagen nach der Geburt nicht starb, dann hatte sie es überstanden.
    »Ja, natürlich«, erwiderte er, und erzählte ihr, was die Frau von Pompilius ihm mitgeteilt hatte.
    Sie schenkte ihm ein Lächeln, doch ihre Augen blieben traurig. »Das freut mich. Dann kann ich für die Kinder auch eine von unseren Zeremonien durchführen, nicht wahr?«
    An und für sich hielt er nichts von Tusci-Zeremonien, oder überhaupt allem, was Larentia an ihre Heimat erinnerte. Nachdem sie ihm aber die Namensgebung überlassen hatte, und gerade erst richtig ins Leben zurückgekehrt war, wollte er großzügig sein.
    »Wenn der Mond wieder voll ist«, fügte sie hinzu. Ihr Lächeln vertiefte sich und erreichte ihre Augen, um die sich winzige Fältchen bildeten. »Mach dir keine Sorgen. Es hat nichts mit Wölfen zu tun.«
    Dennoch wollte sie ihn nicht dabeihaben. Das paßte ihm nicht, doch Faustulus wollte den Hausfrieden nicht mit einem plumpen Verbot zerstören. Daher beschloß er, ihr einfach zu folgen, ohne daß sie es merkte. Es gab in der Umgebung nicht allzu viele Orte, an denen man Zeremonien durchführen konnte, zumal nicht, wenn man zwei Kinder bei sich trug. Er hatte einen Tragekorb für sie geflochten, den sie sich auf den Rücken schnallen konnte, aber er bezweifelte, daß sie damit weit laufen wollte.
    Mit der Vermutung behielt er recht. Sie ging eine Zeitlang dem Quellwasser nach, das über eine Ableitung auch den alten Dorfbrunnen speiste und später im Fluß mündete, und dann in den Wald hinein. Faustulus achtete darauf, nicht zu nah aufzuschließen, und so gelangte er erst wieder in Sichtweite, als sie bereits mit ihrer Zeremonie begonnen hatte. Die Kinder lagen nebeneinander auf der Erde, und sie kniete vor ihnen, die Arme zum Himmel erhoben, und ihr langes Haar, von keinem Band und keiner Nadel gehalten, fiel über ihren Rücken.
    »Aisera«, sagte sie klar und deutlich, »große Göttin. Ich habe dir als Turan gedient, der Gebenden. Ich habe dir als Uni gedient, der Mutter. Und wenn die Zeit kommt, dann werde ich dir als Vanth dienen, der Todbringerin. Tin, Nethuns, Cath«, sie machte eine kleine Pause, »Laran. Ich habe den neun und den drei gedient und den Willen der Götter erfüllt. Doch weil mein Glaube nicht groß genug war, habt ihr es zugelassen, daß man mich ins Nichts verbannt hat. Seht nun meine Buße, seht sie vollendet. Hier ist die Erfüllung eures Wunsches.«
    Sie senkte die Stimme, und der erstarrte Faustulus mußte sich anstrengen, um sie noch zu verstehen.
    » Laucme c zusle.«
    Das erste Wort hatte er oft genug gehört. Es bezeichnete einen König. Aber das zweite, das zweite wollte ihm nicht einfallen. Ein König und... Der König und... Was auch immer es bedeuten mochte, es konnte nichts Gutes sein. Die Götter mußten sie doch mit Wahnsinn geschlagen haben, wenn sie glaubte, einer ihrer Söhne könne den Thron besteigen. Was den Rest ihrer Worte anging - nun hatte er seine Antwort. Sie betrachtete ihn noch immer als Strafe. Er war versucht, sie hier zurückzulassen, um nicht noch mehr von ihren Verrücktheiten zu hören, aber dann sah er sie sich vorbeugen, und Angst flackerte in ihm auf, Angst um die Kinder. In ihrem Wahnsinn war sie bestimmt zu allem fähig.
    Doch alles, was sie tat, war, die Hände in den Bach zu strecken, und dann mit dem Zeigefinger jeder Hand einen Streifen aus Wasser auf ihren Wangen zu ziehen.
    »Ich nehme mein Volk wieder. Mein Volk sind die Rasna. Ich nehme meinen Namen wieder. Mein Name ist Ilian. Ich nehme meinen Stand wieder. Mein Stand ist...«
    »Nein«, rief Faustulus, unfähig, das alles noch länger mit anzusehen. Sie drehte sich nicht zu ihm um, und ihre Stimme klang so ruhig und gleichmäßig, als spräche sie mit ihm über das Wetter.
    »Du hättest mir nicht folgen dürfen.«
    »Warum?« fragte Faustulus höhnisch, zum ersten Mal bemüht, sie zu verletzen. »Willst du mir wieder mit Blitzen vom Himmel drohen? Du kannst sie nicht holen. Und du kannst deine Götter nicht zwingen, dich wiederaufzunehmen. Deine Söhne sind meine Söhne, verstehst du, und meine Söhne werden niemals Könige. Und du bist meine Frau. Dein Name ist Larentia, und das wird er immer sein.«
    »Nein«, entgegnete sie, noch immer ohne ein Zeichen von Aufregung oder Zorn, »ich werde dir nicht mit Blitzen drohen. Aber du hast gesehen, was du nicht hättest sehen sollen.«
    Sie blickte auf die Kinder, die vor ihr lagen. Eines von ihnen begann zu wimmern, und Larentia seufzte. Sie hob

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