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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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während das Lachen der Männer sie dabei begleitete. Arion lachte ebenfalls, doch er wies Ulsna anschließend an, zu singen, was nicht nur das Gelächter zum Schweigen brachte, sondern auch Ulsnas Magen beruhigte. Sich auf die vertrauten Weisen zu konzentrieren wirkte Wunder für sein Wohlbefinden und schaffte ihm Freunde an Bord, die er dringend benötigte.
    Ständig auf so engem Raum mit einer Schar Fremder zu leben, ständig den Elementen ausgesetzt zu sein war schwerer, als er es sich je ausgemalt hatte. Unter dem Vorwand von magischen Beratungen klammerten er und Ilian sich aneinander und taten kaum einen Schritt ohne den anderen. Das belastete ihn auf eine andere Weise. Wenn der Wind den Himation, den griechischen Umhang, den Arion ihr gegeben hatte, aufwirbelte und ihren Chiton an sie preßte, blieb nichts mehr der Phantasie überlassen, und im übrigen schliefen sie eng aneinandergeschmiegt. Sie war so eindeutig weiblich, wie er es nie sein würde. Und so weiblich Ilian war, so männlich war Arion.
    Der gesunde Menschenverstand gebot es, daß sie neben dem Kapitän schliefen, und anfangs hatte dieser Umstand Ulsna keine Kopfschmerzen bereitet. Es dauerte jedoch nicht lange, und er mußte seine Phantasie auch in bezug auf Arion nicht mehr anstrengen. Der Korinther war ein gutaussehender Mann, mit breiten Schultern und schmalen Hüften, wie die Gestalten, mit denen die Griechen ihre überall so heißbegehrten Krüge bemalten. Seinen Bart trug er kürzer, als es bei den Rasna üblich war, und das Haupthaar ebenfalls, doch an dem Gesicht mit der langen Nase, den dichten Brauen und der hohen Stirn hätte auch die anspruchsvollste Rasna-Edle nichts aussetzen können. Ulsna war sich schmerzhaft bewußt, nie so auszusehen, und wußte doch nicht, ob er sich nun an Arions Stelle wünschte oder an Ilians.
    Ein Gespräch, das Ilian mit Arion führte, machte es ihm nicht leichter. Es fand statt, als Ilian eine Windstille nutzte, um zu versuchen, sich die Haare zu kämmen. Wie nicht anders zu erwarten, waren sie völlig verfilzt, und Ulsna half ihr dabei, zumindest die gröbsten Knoten zu beseitigen; dabei mußten sie den Bronzekamm, den Ilian besaß, beiseite legen und zunächst die Finger bemühen. Erst als ein Schatten auf sie fiel, entdeckte Ulsna, daß Arion zu ihnen gekommen war. Ilian ließ sich nicht weiter stören.
    »Hör zu«, sagte Arion bestimmt, »ich würde das an deiner Stelle lieber lassen. Es gibt kaum etwas, mit dem du die Männer mehr reizen könntest, es sei denn, du ziehst dich auf der Stelle aus.«
    »Es reizt die Männer, wenn ich mein Haar kämme?« fragte Ilian aufrichtig verdutzt, und auch Ulsna war verwundert. Er schaute zu Arion hoch und stellte fest, daß der Kapitän seinerseits ebenfalls leicht verblüfft wirkte.
    »Was seid ihr nur für Barbaren?« fragte er, nicht feindselig, sondern eher ratlos. »Keine griechische Frau würde sich je dabei zusehen lassen, wie sie sich die Haare richtet. Selbst eine Hetäre nicht. Es ist zu... zu...« Er machte eine hilflose Handbewegung, als gingen ihm die Worte aus. Ilian warf ihr verfilztes Haar zurück, setzte sich auf die Fersen und erhob sich langsam.
    »Ihr Griechen scheint mir eine seltsame Vorstellung von dem zu haben, was sich ziemt«, entgegnete sie kühl, »wenn euch das Haar einer Frau unanständiger erscheint als der Verkehr zwischen zwei Männern.«
    »Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?« entgegnete Arion, während Ulsna sich bemühte, die verräterische Röte, die in seinem Gesicht aufflammte, zu unterdrücken. Aufgrund seiner Natur hatte er angenommen, daß er zu einem Leben voller Enthaltsamkeit verurteilt wäre, wenn er denn überlebte. Welche Frau, welcher Mann würde sich schon mit einem Zwitterwesen abgeben wollen? Doch wenn bei den Griechen zwei Angehörige desselben Geschlechts wirklich miteinander schliefen, dann waren sie vielleicht... Hastig unterbrach er die Gedanken, die in ihm aufstiegen, und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Gespräch zu.
    »Es gibt bestimmte Bedürfnisse eines Mannes«, fuhr Arion unterdessen fort, »die eine Frau einfach nicht erfüllen kann. Frauen sind ihren Trieben hilflos ausgeliefert und nicht in der Lage, sich zu beherrschen oder gar etwas wie Verstand oder tiefere Gefühle zu entwickeln.«
    Ilians Mundwinkel zuckten, ob vor Ärger oder unterdrückter Erheiterung, konnte Ulsna nicht entscheiden. Sie betrachtete Arion abschätzig und bemerkte in ihrer eigenen Sprache zu Ulsna: »Er

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