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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sie ihre Frauen auch nicht vor den Tatsachen des Lebens ab.
    »Jeder Junge, dessen Familie auch nur einigermaßen auf sich hält, wird von einem älteren, ehrenwerten Mann aus ihrer Bekanntschaft, den sie als erastes erwählen, in die Welt der Männer eingeführt, aber das ist es nicht, wovon ich gesprochen habe. Auf einer Reise versüßt man sich die Einsamkeit eben, so gut es geht, und, um es offen zu sagen, ein Junge wie Ulsna ist Frischfleisch. Die Männer werden es wohl schlucken, wenn ich ihnen erkläre, daß ich dich als schutzbringende Magierin mitnehme und deine Magie dich verläßt, wenn dich ein anderer Mann als der Kapitän des Schiffes, das du schützt, anrührt. Aber mir fällt bei allen Göttern kein Grund ein, warum sie sich bei Ulsna zurückhalten sollten.«
    Sie öffnete den Mund und erweckte den Eindruck, hitzig widersprechen zu wollen, also fügte Arion hinzu: »Und mir ist auch kein Grund bekannt, warum ich ihn überhaupt an Bord nehmen sollte.«
    Die Röte wich langsam aus ihren Wangen. »Ich bezahle für ihn«, entgegnete sie, »und du kannst deinen Leuten mitteilen, er sei mein Gehilfe.«
    »Und in welcher Form soll diese Bezahlung vonstatten gehen?« fragte Arion, der sich bemühte, keine Miene zu verziehen, obwohl er wirklich neugierig auf die Antwort war.
    »Ich gebe dir einen silbernen Armreif.«
    Ehe er sie fragen konnte, warum sie, wenn sie über solche Mittel verfügte, nicht angeboten hatte, für sich selbst zu bezahlen, kehrte Ulsna zurück. Sie nahm den Arm des Jungen und wechselte in ihre eigene Sprache über, eine Unterhaltung, die Arion demonstrativ ausschloß. Er fragte sich, warum sie so versessen darauf war, Ulsna zu helfen. Die Möglichkeit, sie könnte sich in Ulsna vergafft haben, schloß er aus. Der Junge mochte zwar so groß wie Ilian sein, aber nach Gesicht, Stimme und Körperbau zu schließen, war er nicht älter als allerhöchstens zwölf oder dreizehn Jahre. Nichts für eine Frau oder ein Mädchen, was das anging. Frauen wollten Männer, keine Knaben.
    Als der Tag sich neigte, lagerten in der Kassiopeia statt der griechischen Krüge und Gemmen diverse Ballen Hanftuchs aus Tarchna, aus dem in Arions Heimat Segel gemacht werden würden, und Spitzen über Spitzen aus der begehrten Bronze der Rasna, die für Pfeile und Speere bestimmt waren. Arion war zu guter Stimmung, um sich selbst von Laios’ offen zur Schau gestellter Mißbilligung die Laune verderben zu lassen.
    »Du spielst mit dem Feuer«, raunte der Alte, als sich Ilian mit dem allgegenwärtigen Ulsna im Schlepptau daran machte, ihre Sachen in den Weidenkörben zu verstauen, die das Eigentum des Kapitäns enthielten. »Dein Großvater hätte einen solchen Fehler nie begangen. Frauen bringen nichts als Unglück.«
    »Die hier war mir von größerem Nutzen als du auf dieser Reise«, antwortete Arion kühl. »Und sie wird uns auch weiterhin nützlich sein. Sie ist eine Magierin, und dafür habe ich Beweise. Die Götter sprechen zu ihr.«
    Er erwartete, daß Laios ihn leichtgläubig nennen und nach der Art der Beweise fragen würde. Statt dessen spuckte der alte Mann über die Reling hinweg, an der er lehnte, enthielt sich jedoch jedes Kommentars über Ilian.
    »Und die andere?« fragte Laios dann höhnisch. »Wird die etwa die Seeungeheuer in den Schlaf singen?«
    »Welche andere - oh, Ulsna. Das ist ein Junge, und bevor du etwas sagst: Ich weiß, Jungen bedeuten ebenfalls Ärger...«
    »Blödsinn«, schnitt ihm Laios unwirsch das Wort ab. »Das Ding mit der Harfe ist ein weiteres Gör, und wenn deine Freunde und du nicht selbst noch Grünzeug wärt, hättest du das schon längst gemerkt.«
    Arion verzichtete auf eine Antwort. Er drehte sich auf der Stelle um und marschierte zu den beiden, ohne sich um die restliche Mannschaft zu kümmern. Wenn Laios recht hatte, wenn die beiden versucht hatten, ihn derart zu übertölpeln, dann würde er Ulsna eigenhändig von der Kassiopeia in das Hafenwasser befördern, um jeder weiteren Beeinträchtigung seiner Würde vorzubeugen, Bezahlung hin, Bitten her.
    Ilian kniete noch vor den Körben. Ohne sie weiter zu beachten, packte er Ulsna an der Kehle.
    »Was bist du?« knurrte er. An dem schreckerfüllte Blick erkannte er, daß Ulsna sofort begriffen hatte, und sein Magen zog sich zusammen. Also stimmte es. Er war auf höchst demütigende Weise zum Narren gehalten worden. Wütend wollte er Ulsna an die Reling zerren, als ein geröcheltes Wort ihn innehalten ließ.
    »Junge«,

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