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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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starrten.
    »Arion würde dich gewiß nicht zurücklassen. Mich vielleicht, aber nicht dich.«
    »Vielleicht fühlt er sich inzwischen sicher genug, um für den Rest der Fahrt die Möglichkeit, daß ich den Zorn der Götter auf ihn herabbeschwöre, in Kauf zu nehmen. Es steckt ein Spieler in ihm, sonst hätte er sich auf dieses ganze Unternehmen nie eingelassen.«
    Daran hatte Ulsna nicht gedacht, doch er fand, daß Ilian etwas übersah.
    »Er hat dich gern.«
    Ilian rümpfte die Nase.
    »Das hat er«, beharrte Ulsna.
    »Er glaubt, daß ich ihm Glück bringe, und er möchte, daß ich etwas mehr als nur das Lager mit ihm teile. Das ist nicht das gleiche. Und es genügt mir nicht als Sicherheit.«
    Für jemanden, der doch den größten Teil seines Lebens in Palästen und Tempeln verbracht haben mußte, hatte Ilian eine Meinung von den Menschen, die die Ulsnas noch deutlich unterbot, obwohl er glaubte, viel mehr Unbill erfahren zu haben. Sein heimlicher Traum war es immer gewesen, eines Tages Sänger eines Fürsten zu werden und selbst inmitten von Reichtümern zu leben, die endlose Sorglosigkeit gewährleisteten. Selbst wenn Ilian das alles nun verloren hatte, so konnte die kurze Zeit ihrer Armut und Verbannung doch gewiß nicht all die Jahre vorher aufgewogen haben. Wie dem auch sein mochte, im Fall Arions hatte sie Unrecht.
    »Du irrst dich«, beharrte Ulsna. »Denk nur daran, wie er dich ansieht, selbst wenn er wütend auf dich ist.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Hast du vergessen, was er gesagt hat? Für die Griechen gibt es keine tieferen Gefühle zwischen Mann und Frau. Und selbst wenn es sie gäbe, so sind sie doch nichts, worauf ich mich verlassen kann. Jeder Mensch, für den ich Zuneigung empfand, hat mich ausgenutzt, und jeden Menschen, der mir Zuneigung entgegenbrachte, habe ich ausgenutzt. Und ich werde noch Schlimmeres tun. Nein, Ulsna, glaub mir, man darf nur sich selbst vertrauen, sonst niemandem.«
    »Wenn dem so ist«, entgegnete Ulsna und versuchte, sich die Kränkung nicht anmerken zu lassen, »dann begreife ich nicht, warum du mir geholfen hast. Und du wirst nicht verstehen, warum ich an Bord bleiben werde, denn es kann nichts damit zu tun haben, dich nicht mit den Wachen allein lassen zu wollen.«
    Sie sagte nichts mehr, doch nach einer Weile spürte er den zögernden Druck ihrer Hand.
    Als sie Ithaka hinter sich gelassen hatten, kam bald die Küste des Festlands in Sicht, an der sie dann entlangsegelten. Der Anblick hob Arions Stimmung, und er begann wieder unbefangen mit Ilian zu reden, als sei kein böses Wort zwischen ihnen gefallen. Er hatte entschieden, daß ihn die seltsamen Gebräuche der Rasna samt Ilians Gatten, dem sie vertraute und dem sie offenbar gleichgültig war, nicht kümmerten. Es war ja nicht so, daß er selbst beabsichtigte, sich länger mit ihr abzugeben. Sie war ein unterhaltsamer Glücksbringer, wie ein aufflammender Stern, der schnell wieder verblaßte und dann nicht mehr zu erkennen war. Zugegeben, es erfüllte ihn mit Bedauern, daß er sie, wenn sie erst nach Delphi aufgebrochen war, nicht mehr wiedersehen würde, doch es gab beim besten Willen keinen Platz in seinem Leben für sie.
    Solange sie indessen noch in Reichweite war, konnte er die Zeit nutzen. Er ließ sich von ihr und Ulsna etwas von der Sprache der Rasna beibringen, Ausdrücke, wie er sie beim Handel verwenden konnte, und bedauerte, nicht früher auf diesen Gedanken gekommen zu sein. Er verbesserte beider Griechisch, wenn es nötig war, und ertappte sich dabei, Ulsna anzubieten, einmal an seinem Herd zu singen.
    »Wenn wir meine erfolgreiche Fahrt feiern«, meinte er leutselig. »Die ersten Familien Korinths werden dasein, egal, wie sehr sie mich mißbilligt haben, als sie noch dachten, ich würde sang- und klanglos untergehen. Mag wohl sein, daß du unter ihnen einen Gönner findest.«
    Ulsna errötete vor Freude, dann biß er sich auf die Lippen.
    »Mit Freuden werde ich für dich singen, Arion«, begann er stockend, »aber ich muß begleiten Ilian nach Delphi. Erst dann ich werde können mich ansiedeln in Korinth.«
    Während Arion sich noch von seiner Verblüffung erholte, stellte er fest, daß Ilian ähnlich bestürzt schaute wie damals, als Laios’ lächerliche Anschuldigung ihn dazu gebracht hatte, den armen Jungen beinahe über Bord zu werfen.
    »Das brauchst du nicht, Ulsna«, protestierte sie. »Mach dein Glück in Korinth.«
    »Später vielleicht«, antwortete Ulsna unbeirrt und verschränkte die

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