Die Söhne der Wölfin
wiederhergestellt haben, auch die innere entsteht, daß sich die Fürsten Ägyptens zusammenfinden, um die Nubier zu vertreiben und einen wahren Einzig-Einen hervorzubringen.«
»So dachte ich auch einmal«, erwiderte Nesmut düster. »Ehe die Götter es zuließen, daß mein Gemahl von Taharqa besiegt und von den Assyrern gedemütigt wurde.«
Sie hatte jedoch nicht vor, einer Sklavin zuliebe die Sprache der Griechen zu bemühen. In ägyptisch setzte sie hinzu: »Erkläre mir das, wenn du kannst, Mädchen.«
Stockend, doch unbeirrt antwortete ihr Ilian: »Man sagt mir - bei den Griechen - hier auch - es gibt einen Gott - nicht Amon - war Herr über Ägypten. Wurde verraten und getötet von seinem Bruder. Hatte die Göttin, seine Gemahlin, einen Sohn, der ihn rächte. Groß unter den Göttern. Aber Niederlage, Verrat und Tod zuerst. Warum?«
Nesmut ließ sich überrascht auf ihr mit Leopardenfellen ausgestattetes Lager fallen. Was sie verblüffte, und das auf angenehme Weise, war weniger die Tatsache, daß Ilian die Geschichte von Osiris, Isis und Horus kannte, als die, daß ihre Sklavin tatsächlich in der Lage war, sie so gezielt und sinnvoll auf die Gegenwart zu übertragen.
»Wohl wahr«, meinte sie nachdenklich. »Horus besiegte Seth. Seth regiert über den Westen, über Chaos und Zerstörung.«
»Fremde Heere?« schlug Ilian vor. Nesmut nickte, zunehmend von dem Bild angetan, auch weil es sie an die Stelle der Isis rückte. Sie hatte sich der Göttin schon immer sehr nahe gefühlt.
»Der Einzig-Eine war von jeher die Verkörperung des Horus auf Erden.«
Es war wirklich ein tröstlicher Gedanke, doch die Wirklichkeit holte sie wieder ein. »Sollte mein Sohn Horus in sich tragen, so hat sich das noch nicht gezeigt«, sagte sie brüsk. »Mein Gemahl glaubt nicht mehr, daß er gegen Taharqa gewinnen kann. Die assyrischen Heerscharen mögen zwar auf ihre Astrologen hören, doch nicht auf unsere Götter. Sie kommen, wann immer man sie nicht braucht, und fehlen, wenn sie nötig sind. Und die übrigen Fürsten, die Sais schon seit jeher beneidet haben, sind wie Schakale, die einen Sterbenden in der Wüste wittern. Löse mir das, Mädchen, und ich glaube dir, daß die Götter dich geschickt haben.«
Immerhin ließ sie Psammetich zu sich bringen, als Necho mit ihm nach Sais zurückkehrte, zurück von einem demütigenden Pflichtbesuch in Assurbanipals Feldlager und der Entrichtung seines Tributs. Der Junge geriet nach seinem Vater; stämmig, muskulös und mit einem vorgeschobenen Kinn, das bei Necho entschlossen wirkte, bei Psammetich und seinen sechzehn Jahren hingegen zu dem allgemeinen mürrisch-trotzigen Gesichtsausdruck beitrug. Immerhin hatte ihr Sohn ihre hohe Stirn geerbt, und er war auch nicht dumm. Als sie ihn nach seinem Eindruck von den Assyrern fragte, erklärte er:
»Wir können sie nicht besiegen. Aber sie haben keine Geduld. Ich glaube nicht, daß sie lange bleiben werden.«
»Das höre ich gern«, entgegnete Nesmut. »Wer Ägypten regieren will, braucht Geduld.«
Doch leider ging Psammetich auf die offensichtliche Aufforderung nicht ein. Statt dessen scharrte er mit den Füßen und fragte, ob er jetzt gehen könne.
»Und wohin?« erkundigte sich Nesmut, aufs neue enttäuscht. »Wage nicht, zu behaupten, daß du deine Studien wiederaufnehmen willst. Deine Lehrer klagen mir immer wieder ihr Leid.«
»Ich besuche Ahmose«, gab ihr Sohn zurück, runzelte die Stirn und sah noch übellauniger aus als vorher. »Und ich wäre dir dankbar, Mutter, wenn du jetzt nicht wieder über Verräter zetertest. Die Nubier haben nun einmal die besten Pferde, und Ahmose hat Glück, daß sein Vater mit ihnen handelt.«
Sie war nahe daran, lauthals in Verwünschungen auszubrechen. Hier ging es um die Zukunft des Landes, und alles, was ihren jungen Flegel von einem Sohn kümmerte, war das Reiten auf ein paar nubischen Pferden!
Nach einer Weile beruhigte Nesmut sich wieder. Er war noch jung. Er konnte sich noch ändern. Allerdings hatte sie nicht die Absicht, auf eine mögliche Veränderung bei ihm zu warten. Ihr kam eine offensichtliche Methode in den Sinn, um ihren Vorstellungen nachzuhelfen.
»Mein Gemahl und ich«, sagte Nesmut beiläufig zu Ilian, während sie sich ein Stück flußaufwärts rudern ließ, um eines ihrer Güter zu inspizieren, »haben beschlossen, unseren Sohn zu verheiraten.«
Ihre neue Sklavin enttäuschte sie nicht; sie nickte und bemerkte, durch eine Ehe lasse sich gewiß ein gutes Bündnis
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