Die Söhne der Wölfin
schließen und überdies sei sie als Symbol der Erneuerung für Götter und Land sehr geeignet.
»Zweifellos«, entgegnete Nesmut, die nicht die Absicht hatte, einer noch so gewitzten Sklavin Tadel über ihren Sohn anzuvertrauen oder gar die Hoffnung, er werde durch eine Ehe endlich erwachsen werden und Ehrgeiz entwickeln.
»Nur fragen wir uns natürlich, welche Wahl den Göttern am wohlgefälligsten wäre und so dazu beitrüge, unsere Geschicke zu wenden. Ein Bündnis mit einem der anderen Fürsten wäre nicht übel, doch damit würden wir uns auch verpflichten, die Fehden des betreffenden Vaters mit auszufechten, und am Ende mag die Mitgift so mehr schaden als nützen. Wenn wir Psammetich mit einer seiner beiden Schwestern vermählen, so stellen wir uns in die Tradition der Herrn beider Länder und setzen ein wichtiges Zeichen, wie es die vermessenen Nubier gemacht haben, als sie desgleichen taten. Doch es brächte uns keinen Gewinn, keine neuen Verbündeten.«
Außerdem, fügte sie stillschweigend hinzu, hatte Neferu, die ältere ihrer beiden Töchter, gerade die erste Blutung hinter sich und würde von Psammetich, der gewohnt war, sie an der Jugendlocke zu ziehen, nicht ernst genommen werden, geschweige denn, dazu beitragen, ihm die Unruhe des Eroberers ins Blut zu setzen. Die kleine Makare wäre natürlich erst recht keine Hilfe. Es war nicht so, daß Nesmut ihre Töchter nicht gefielen; sie sah nur keinen Grund, sich mit ihnen abzugeben, solange sie noch zu jung waren, um der Familie in irgendeiner Weise zu nützen. Dazu gab es Ammen und Erzieher.
Es fiel ihr auf, daß Ilian ungewöhnlich lange schwieg, statt, wie es Nesmut erwartet hatte, den nächsten logischen Vorschlag zu machen, damit sie ihn nicht als erste aussprechen mußte. Nesmut warf einen genaueren Blick auf Ilian und stellte fest, daß die junge Frau betreten, ja peinlich berührt dreinschaute. Dunkel erinnerte sie sich an etwas, das der Anführer der griechischen Söldner ihres Gemahls einmal geäußert hatte, etwas über die Widernatürlichkeit von Geschwisterehen. Ausländer hatten seltsame Vorstellungen. Immerhin hatte die jahrhundertelange Herrschaft Ägyptens über Kusch dafür gesorgt, daß die Nubier hier eine Ausnahme bildeten. Da die Eroberer auch hier die Nachahmung ägyptischer Sitten benutzten, um sich bei der Priesterschaft einzuschmeicheln, war Nesmut nicht unbedingt dankbar dafür.
»Wir, die wir das Blut der Götter in uns tragen«, erklärte sie erhaben, »versuchen unser Möglichstes, um es rein zu halten und ihrem Beispiel zu folgen. Aber dies sind schwierige Zeiten, und sie erfordern andere Maßnahmen.«
»Gewiß tun sie das, Herrin«, stimmte Ilian rasch zu und war offenbar wieder bei der Sache. »Hast du daran gedacht, deinen Sohn mit einer Assyrerin zu vermählen? Es würde die Last auf deinen Schultern mildern und die Verdächtigungen der Assyrer gegen deinen Gemahl einschläfern.«
Nesmut schnippte mit den Fingern, um den Fächerträger anzuweisen, etwas schneller zu wedeln, und war froh, daß Ilian inzwischen flüssig genug sprach, um ihrem Ohr derartige Überlegungen nicht mehr in abgehackter Form zuzumuten.
»Uns auf diese Weise bei den Assyrern anbiedern und uns als ihre Schoßhunde zeigen? Niemals«, gab sie zurück, durchaus gewillt, sich irgendwann überzeugen zu lassen. Wenn die Ehe nicht so verlief, wie sie es sich vorstellte, konnte sie dieser Sklavin die Schuld geben und behaupten, Ilian habe sie mit Hilfe ihrer Götter verhext. Das würde Necho ein Opfer für seinen Unwillen geben und ihr selbst Verdrießlichkeiten ersparen.
»In einer Zeit des Umbruchs muß man Opfer bringen, Herrin. Es könnte deinem Sohn eine Zeitlang den Rücken freihalten, bis die Macht deines Hauses sich wieder gestärkt hat.«
Es dauerte noch eine Weile, bis Nesmut einlenkte. Dann überraschte Ilian sie damit, um eines der Hühner zu bitten.
»Aber warum denn? Du willst doch nicht etwa behaupten, man verköstige dich nicht ausreichend.«
»Nein. Ich brauche es, um in seinen Eingeweiden die Zukunft zu lesen.«
»Ich habe meine eigenen Magier«, entgegnete Nesmut kopfschüttelnd. »Und es käme ihnen nicht in den Sinn, die Zukunft in Tiereingeweiden zu suchen. Dazu befragt man die Sterne oder wendet sich direkt an die Götter.«
»Da ich mich nicht mit einem deiner Magier vergleichen möchte, kann es gewiß nicht schaden, wenn ich es auf meine eigene Weise versuche.«
Nesmut wußte nicht, ob sie den Hauch von Spott, der
Weitere Kostenlose Bücher