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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Bescheid weiß. Ich weiß nur, daß mich niemand wollte, den ich wollte, und daß ich Angst vor diesem Mann habe.«
    Mit ihrer linken Hand griff sie unter sein Kinn.
    »Prokne«, antwortete Ilian, »hat behauptet, daß ich zu den Leuten gehöre, die du wolltest.«
    »Warum sagst du das?« stieß Ulsna hervor und versuchte vergeblich, das Zittern zu unterdrücken, das ihn überfiel, oder ihre Hand wegzuschlagen. Er brachte es nicht fertig, sich zu rühren. »Es zerstört alles. Wir wissen doch beide, daß du mich nicht liebst.«
    Ilian legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Von Liebe war nicht die Rede«, flüsterte sie. »Und du hast recht, es würde alles zerstören... Aber nicht heute nacht, und nur heute nacht nicht. Wenn du dir sagst, du bist nicht seinetwegen hier, sondern meinetwegen... ich bin nicht seinetwegen hier, sondern deinetwegen… dann kann es etwas Besseres sein als Sklaverei. Nur heute nacht.«
    Die Fähigkeit, sich zu bewegen, kehrte endlich wieder in seine Glieder zurück, und seine eigenen Hände, die noch in ihrem Haar verfangen waren, legten sich um ihren Hals. Er wußte selbst nicht, ob er ihr weh tun oder sie an sich ziehen wollte. Ihre vertrauten Finger, so warm auf seiner Haut, an seinem Mund. Sie hatte nie kalte Hände, nur während ihres Fiebers einmal, seltsamerweise. Warum hatte sie nie kalte Hände? Die Essenzen, mit denen man sie beide beträufelt hatte, der schwere Duft, unvertraut, selbst bei Prokne hatte sie derlei nicht benutzt. Ihre Stirn gegen seine Stirn, und jetzt spürte er ein leichtes Zittern auch bei ihr und begriff, daß ein Teil von ihr trotz ihrer selbstsicheren Worte ebenfalls Angst hatte. Und das Seltsamste, ihren Mund zu berühren. Das kurze Aufeinanderpressen von Lippen. Nichts Vertrautes hier.
    »Was für ein reizender Anblick«, sagte eine fremde Stimme spöttisch in einer fremden Sprache, und Ulsna brauchte eine Weile, bis er die Worte verstand und in die Wirklichkeit zurückgeholt wurde. Da stand, die Hände in die Hüften gestemmt, Psammetich, einmal ohne das übliche Stirnrunzeln, doch dafür mit einer höhnischen Miene.
    »Ich glaube nicht, daß ihr ohne mich anfangen dürft«, fuhr er fort. »In der Tat bin ich sogar ganz sicher, daß ihr auf mich zu warten habt, meine Täubchen. Schließlich geht es hier um meine Fruchtbarkeit, nicht wahr?«
    Ohne auf ihn zu achten, legte Ilian ihre andere Hand auf Ulsnas Schulter, zog ihn zu sich herab und wisperte dabei in ihrer eigenen Sprache, der Sprache der Rasna: »Vertrau mir. Das ist ein Spiel, das wir gewinnen können. Die Macht des Körpers.«
    Es kostete ihn allen Mut, den er aufbringen konnte, nicht zu erstarren, zu fliehen oder sich gehorsam umzudrehen, aber er packte das Vertrauen in sie, den einzigen Menschen, der ihn je als Freund gewollt hatte, und stellte es zwischen sich und die Furcht. Er legte seinen Mund auf ihren Hals und spürte, wie sie ihn zurückbog. Ihre vollen, festen Brüste an seinen eigenen kleinen, die gerade genügten, um ihn zu verraten. Das Gefühl der Unzulänglichkeit drohte ihn wieder zu überwältigen, als ihre Hand von seiner Schulter über seinen Rücken glitt, forschend, tastend, ohne abgeschreckt innezuhalten. Dann fühlte er eine zweite Hand, größer, schwerer, rauher.
    »Ich habe gesagt«, wiederholte der Junge, und diesmal konnte Ulsna eine gewisse Kurzatmigkeit heraushören, »ihr sollt warten.«
    »Ah, aber ist es das, was du meinst, edler Herr?« fragte Ilian, und ihre ruhige, kühle Stimme stand im Gegensatz zu dem Körper, der sich an Ulsna drängte, zu den Händen, die ihn von seinem Chiton befreiten. »Ich glaube nicht.«
    Er ist nicht hier, dachte Ulsna, es ist nicht sein Gewicht, das sich jetzt neben uns legt. Wir sind auf dem Schiff, und es ist Arion. Dann dachte er überhaupt nichts mehr, sondern überließ sich der Welle an aufgestauter Sehnsucht und Zorn, die ihn zu Ilian trug und die Furcht und Scham in seinem Kopf auslöschte.

    Es war eigenartig, die fremden Atemzüge zu hören, und noch eigenartiger, daß Psammetich in den frühen Morgenstunden offenbar von einem Redeschwall erfaßt wurde, während Ulsna die Erschöpfung in sich ausklingen ließ und Ilians Kopf auf seiner Schulter spürte.
    »Ihr werdet natürlich niemandem erzählen, daß ich geweint habe.«
    »Nein«, murmelte Ilian schläfrig, »warum auch? Tränen sind ein Teil des Fruchtbarkeitsrituals. Um die Felder zu segnen. Es betrifft niemanden sonst.«
    »Ja«, sagte Psammetich dankbar, »so ist

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