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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Großzügigkeit selbst bist, Herrin«, gab Ilian zurück und erläuterte einen Plan, der Nesmut in seiner Kühnheit gleichzeitig entzückte und entsetzte. Sollte sie sich darauf einlassen, dann gäbe es kein Zurück mehr, und, das war ihr klar, es würde auch nicht genügen, eine Sklavin für ein mögliches Mißlingen verantwortlich zu machen. Nein, wenn dieser Plan fehlschlüge, dann würde es keine Fürstenfamilie von Sais mehr geben. Bei einem Erfolg jedoch wäre die Kobrakrone der ägyptischen Königinnen endlich für sie in Reichweite. Sie würde als Amons Gottesgemahlin in Theben verehrt werden, statt einer Fremden aus Kusch, und die zwei Länder würden sich vor ihr, ihrem Gemahl und ihrem Sohn beugen.
    All das galt es zu bedenken, und nicht nur einmal, nicht zweimal, sondern viele Male. Außerdem tat es Ilian not, endlich einmal auf ihren Platz verwiesen zu werden.
    »Ich danke dir für deine Worte«, meinte Nesmut schließlich, »und werde sie in meinem Herzen tragen. Um dir meine Dankbarkeit zu zeigen und deinem Freund, dem Barden, seine Furcht zu nehmen, habe ich entschieden, auch dich zu ehren. Ihr werdet beide das Bett meines Sohnes teilen, um den Segen der Götter auf seine Ehe zu lenken - den Res durch den Barden und den deiner Götter, die, wie du behauptest, auch für unser Land bald von Bedeutung sein könnten, durch dich.«

    Zu Ulsnas Pflichten gehörte es, der Katze des Hauses abends ihre Schale mit sorgfältig entgrätetem Fisch zu bringen. Er wußte nicht, warum er das tun mußte, hatte es doch nicht das geringste mit seiner Ausbildung als Barde zu tun, aber es war ihm nicht unangenehm. Ehe er nach Ägypten kam, hatte er noch nie eine Katze gesehen. Sie faszinierte ihn. Anders als bei den Hühnern war das Geräusch, das dieses Tier gelegentlich von sich gab, wenn es gefressen hatte oder sich mit seiner kleinen rosa Zunge übers Fell fuhr, ein ansprechendes. Die Katze hatte kluge gelbe Augen mit Pupillen, die sich von einem schmalen Spalt zu einer schwarzen Kugel verwandeln konnten, und ein hellbraunes Fell, das von einer der Sklavinnen täglich gebürstet wurde. Wie Ulsna hörte, handelte es sich um ein den Göttern heiliges Tier, was ihm begreiflich war, ähnelte es doch ein wenig den steinernen Sphinxen. Allerdings blieb es selten an einem Platz; nur zu den Zeiten, an denen es gefüttert wurde, fand er es fast immer auf der kleinen Empore, die jemand vor die Statue einer weiteren ägyptischen Gottheit mit Tierkopf gebaut hatte.
    Als er an diesem Abend seine Pflicht erledigte, ertappte er sich dabei, wie er die Katze beneidete. Sie kam und ging, wie es ihr beliebte, und obwohl man sie hier mit Nahrung versorgte, schien sie sich niemandem im Palast verpflichtet zu fühlen. Außerdem behandelte sie jeder mit Respekt; einmal hatte er erlebt, wie einer der Diener aus Versehen über die Katze gestolpert war und sich vielfach entschuldigt hatte, während das Tier nach einem kurzen Fauchen mit hochgestelltem Schwanz einfach verschwunden war.
    »Sie hat ein gutes Leben«, sagte Ilian hinter ihm. Das entsprach genau dem, was er dachte, doch er drehte sich nicht um, als er nickte.
    »Es wird dich freuen zu hören«, fuhr sie kühl fort, »daß unser beider Haut der gleichen Gefahr ausgesetzt ist. Die Herrin Nesmut hat entschieden, daß sie auch noch den Segen fremder Götter für ihren Sohn braucht.«
    Einen Moment lang verstand Ulsna nicht, worauf sie hinauswollte, dann begriff er.
    »Oh.«
    Er wußte nicht, was diese Eröffnung in ihm auslöste. Zufriedenheit darüber, Ilian endlich für etwas bezahlen zu sehen, feststellen zu können, ob sie selbst tatsächlich so gewappnet gegen das war, was sie ihm hatte zumuten wollen? Erleichterung, weil er zumindest nicht allein sein würde? Bedauern vielleicht. Bei all seinen widersprüchlichen Gefühlen für Ilian tat ihm die Vorstellung, sie in den Händen dieses finsteren Fremden zu sehen, weh. Ilian und Arion, nun, das wäre etwas anderes gewesen. Aber so wenig er an sich selbst mit Psammetich denken konnte, so wenig wollte er dieses Bild vor Augen sehen.
    »Wir könnten zusammen weglaufen«, sagte er plötzlich.
    »Du bist noch ein Kind. Wenn mir nichts Schlimmeres auf meinem Weg passiert, werde ich wahrlich vom Glück gesegnet sein«, entgegnete Ilian verächtlich, aber trotz ihres abweisenden Tonfalls spürte er kurz den Druck ihrer Hand auf seiner Schulter. Ihre Nägel waren immer noch kurz, wie die seinen, so ganz anders als die der Herrin Nesmut mit

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