Die Söhne der Wölfin
ihren kleinen Schutzschilden aus Silber und Gold. Er erinnerte sich an die Wärme ihres Körpers während der Schiffsnächte und fragte sich, ob alle Träume auf so bittere Weise in Erfüllung gingen.
Die Herrin Nesmut beschloß, die Fruchtbarkeitszeremonie zwei Tage vor der Hochzeit durchführen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt war die Braut, die Tochter eines königlichen Halbbruders aus Niniveh, bereits eingetroffen und wartete samt ihrem Vater, dessen Begleitung und ihrer Mitgift in dem früheren Sommerhaus der Fürsten von Sais auf das, was kommen sollte. Dem Bräutigam war Ulsna erfolgreich aus dem Weg gegangen, bis man ihn und Ilian in das Gemach befahl, das für sie vorbereitet worden war.
Zuerst war er erleichtert, statt Psammetich einige myrrheschwenkende Priester vorzufinden, die seiner Meinung nach fürchterlich sangen. Dann packte ihn bei der Vorstellung, sie könnten die ganze Nacht anwesend sein, Entsetzen. Das Ganze war demütigend genug, und nun sollte er auch noch vor Zeugen um den letzten Rest seiner Selbstachtung gebracht werden?
Er war erleichtert, als sie nach Beendigung ihrer Gesänge verschwanden, nicht ohne Ilian deutlich mißbilligender zu mustern als ihn, was wohl daran lag, daß sie ihnen mit ihren Göttern als mögliche Rivalin erschien. Von Psammetich gab es noch immer keine Spur, und erst jetzt gestattete Ulsna sich, etwas anderes wahrzunehmen als die verschwundenen Priester und den Boden zu seinen Füßen.
Auf der Erde vor dem Bett stand eine Schale mit Honigkuchen, auch etwas, das er erst in Ägypten kennengelernt hatte, und ein Krug. Als er vorsichtig einen Finger befeuchtete, stellte er fest, daß es kein Bier, sondern Wein war, und empfand ein unter den Umständen absurdes Bedauern. Das Bett selbst war breiter als die Liegen, die er bisher in den Palästen gesehen hatte, und ausgelegt mit Fellen von Tieren, die er nicht kannte. Eines war sogar gestreift.
Ilian stellte sich neben ihn und fuhr mit den Fingern über das Fell.
»Weich«, sagte sie.
»Was«, fragte Ulsna mit trockener Kehle, »tun wir jetzt?«
»Nun, du hast die Wahl. Du kannst versuchen, dich so schnell zu betrinken, daß du nicht viel empfinden wirst, wenn er hier ist. Oder wir machen das Beste daraus. Es lohnt sich, zu versuchen, hier einen Verbündeten zu gewinnen. Wenn der Junge das Zeug dazu hat, könnte er ein wirklich Mächtiger in diesem Land werden. Und«, fügte sie mit einer kleinen Grimasse hinzu, »mir meine Reise nach Theben sichern sowie dem Schreiber etwas mehr Eifer dazu einflößen, mir die Schrift beizubringen.«
Es war nur ein weiterer ihrer jähen Gedankensprünge, aber in der angespannten Stimmung, in der Ulsna sich befand, brachte er ihn zum Lachen.
»Vielleicht sollten wir Psammetich bitten, uns den Schreiber zu schenken«, schlug er vor. »Wenn seine Braut tatsächlich gleich schwanger wird. Als Ausgleich für erwiesene Dienste.«
Sie fiel in sein Gelächter ein, obwohl sie anfangs versuchte, es mit dem Handrücken an ihrem Mund zu unterdrücken. Ihm wurde bewußt, um wieviel jünger sie so wirkte. Er klammerte sich an die Heiterkeit, obwohl sie so dünn und brüchig war wie die Flakons aus Alabaster, in denen man hier Salben und Düfte aufbewahrte, bis man sie zerschlug.
»Nicht nur den Schreiber«, sagte sie, als sie wieder zu Atem kam. »Mindestens noch eine dieser riesigen Sänften.«
»Und die Sänftenträger«, fiel er ein.
»Und zwei Pferde!«
»Ein Dutzend Hühner!«
»Und eine Katze!«
»Unsere Freiheit!« rief Ulsna und biß sich im nächsten Moment auf die Zunge. Die trügerische Hülle aus spielerischer Heiterkeit um sie zerbrach, und er spürte, wie die Wirklichkeit wieder kalt an ihm hochkroch.
»Dazu«, sagte Ilian ernst, »müssen wir mehr tun, als nur die Augen zu schließen und auf das Beste zu hoffen.«
Sie ließ sich auf dem Lager nieder, das die Priester vorher mit Myrrhe besprengt und mit Lotos bestreut hatten, und klopfte mit der Hand neben sich.
»Ich weiß nicht, was ich sonst tun kann«, entgegnete Ulsna ehrlich und setzte sich neben sie. Aus einem Impuls heraus ließ er ihr Haar, das seine frühere Länge wieder erreicht hatte, durch die Finger gleiten. Sie hatte es heute gewaschen, aber die Priester hatten darauf bestanden, es mit Öl zu begießen, genau wie das seine, und so ließ es sich nicht leicht zerteilen. Es erinnerte ihn an die verfilzte Masse auf dem Schiff, und wie Arion sie getadelt hatte.
»Du bist es, die über die Macht des Körpers
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