Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
Ich werde bestimmen, welche Maske, welche Form dein Andenken annehmen wird.
      Verhüllten Hauptes gleich den andern grüßt er den Toten, den Arm mit der flachen Hand ausgestreckt, und mit den andern ruft er: O unser Kaiser Vespasian, o du sehr guter, sehr großer Kaiser Vespasian.
    Schon hatte bis in die fernste Provinz der Feuertelegraf die Nachricht vom Tod des Kaisers verbreitet, und mit der Nachricht Furcht und Hoffnung.
      In England schickte der Gouverneur Agricola die Grenztruppen vor bis zum Flusse Taus, fürchtend, der Thronwechsel könnte die nördlichen Pikten zu neuen Einfällen in das befriedete Gebiet ermuntern. Am Niederrhein regten sich die Chatten, die Bataver. In der Provinz Afrika rüstete in aller Eile der Gouverneur Valer Festus ein zweites Detachement Kamelreiter, er wollte den zu Raubzügen geneigten Stämmen der südlichen Wüste, den Garmaten, rechtzeitig beweisen, sie hätten unter dem neuen Herrn kein weniger wachsames Regiment zu erwarten als unter dem alten. An der untern Donau liefen Kuriere zwischen den Häuptlingen der Daker hin und her: war es ratsam, jetzt einen neuen Vorstoß über die römische Grenze zu wagen? Am Kaukasus, am Asowschen Meer hoben die Alanen die Köpfe, witternd, ob ihre Zeit gekommen sei.
      Der ganze Osten spannte sich in Erregung. Der Provinz Griechenland hatte der karge Vespasian die Privilegien genommen, die ihr der kunstbegeisterte Nero verliehen hatte. Der neue Kaiser war jünger, war groß geworden in griechischen Ideengängen, in griechischer Bildung. Sicherlich wird er der adeligsten unter den Nationen des Reichs die Rechte zurückgeben, die man ihr geraubt hat.
      In Ägypten rief der Gouverneur Tiber Alexander alle Offiziere und Mannschaften aus dem Sommerurlaub zurück. Seine Residenz, die Stadt Alexandrien, die zweitgrößte und die beweglichste der bewohnten Welt, fieberte. Die Juden dort, fast die Hälfte der Bevölkerung, reich und mächtig, hatten seinerzeit der neuen Dynastie als die ersten ihre Ergebenheit bewiesen und den Prätendenten Vespasian mit Geld und Einfluß unterstützt. Der hatte es ihnen nicht gedankt. Im Gegenteil, er hatte sie durch Einführung einer schimpflichen Sondersteuer gebrandmarkt und hatte es zugelassen, daß die Weißbeschuhten, die judenfeindliche Partei Ägyptens, unter Führung gewisser Professoren der Universität Alexandrien immer dreister wurden. Jetzt, hofften die Juden, wird Berenike Kaiserin, jetzt wird es aus sein mit den Weißbeschuhten.
      Die Provinz Judäa selber machte ihrer Regierung Sorgen. Der Generalgouverneur Flavius Silva war ein gerechter Mann, aber seine Situation war schwierig. Viele Juden waren im Krieg umgekommen, viele hatte man zu Leibeigenen gemacht, viele waren ausgewandert. Ihre Städte verödeten, die griechischen blühten, und immer neue syrisch-griechische Siedlungen wurden gegründet. Die Rivalität zwischen den geduckten, erbitterten Juden und den privilegierten griechischen Einwanderern führte zu blutigen Zwischenfällen. Der Thronwechsel steifte den Juden den Nacken, schürte ihre Hoffnung, auf dem verwüsteten Grund Jerusalems, wo jetzt als einzige Baulichkeiten nackt und kahl römische Militärbaracken drohten, werde bald wieder ihre Stadt und ihr Tempel glänzen.
      Ganz Syriens sommerliche Ruhe war gefährdet. Am Hof des Perserkönigs äugten und lauerten die Prinzen von Kommagene, Magnus und Kallinikos, deren Länder Vespasian annektiert hatte. Überall fanden für diese Prinzen Kundgebungen statt, der Gouverneur Trajan mußte scharfe Maßnahmen treffen, um die Ordnung zu sichern.
      Bis in das ferne China strahlte die Nachricht vom Tode des alten Kaisers Wirkung aus. Vespasian hatte durch seine Luxussteuer den Handel mit chinesischer Seide und chinesischen Bronzen sehr beengt. Von dem jungen Kaiser erhofften sich die Seestädte am Roten Meer neuen Aufschwung. Sie schickten, um die alten Verbindungen anzuknüpfen, eine Gesandtschaft an den General Pan Tschao, den großen Marschall der Han-Dynastie.
      So, von überallher, schaute man in Hoffnung und Furcht nach dem Palatin auf den neuen Herrn, auf Titus.

    Dieser Titus, am vierten Tag nach dem Tode Vespasians, besprach in seinem Arbeitszimmer mit dem Zeremonienmeister und mit dem Intendanten der Schauspiele das Arrangement der Totenfeier. Der Zeremoniell für das Leichenbegängnis eines unter die Götter erhobenen Kaisers war vag und wollte bis in jedes Detail festgelegt werden; denn Titus wußte, Senat und

Weitere Kostenlose Bücher