Die Söhne.
Volk werden bei der geringsten Ungeschicklichkeit mit bösartigem Spott über ihn herfallen. Immerhin hat man jetzt wohl alles durchgesprochen, die Herren könnten gehen: worauf warten sie?
In seinem Innern weiß Titus, worauf sie warten. Über eines hat man noch nicht gesprochen, über ein Unwesentliches, auf das aber ganz Rom neugierig ist, über die Frage nämlich, wer im Leichenzug den Toten verkörpern soll. Demetrius Liban ist beliebt; allein es bleibt ein heikles Problem, ob man dem Juden die Rolle des toten Kaisers geben darf. Titus sieht vor sich hin, hinauf zu dem Bild der Berenike. Um dem Vater kein Ärgernis zu geben, hat er das Porträt bisher in seinem kleinen privaten Arbeitszimmer hängen lassen; jetzt hat er es in diesen Raum gebracht, der auch offiziellen Besuchern zugänglich ist. Das lange, edle Gesicht der jüdischen Prinzessin schaut auf ihn, die eine ihrer großen, schönen Hände ist sichtbar, das Bild ist beängstigend lebendig, es ist ein Meisterwerk des Malers Fabull; Titus, während er es beschaut, hört ihre tiefe, leicht heisere, vibrierende Stimme, sieht ihren königlichen Gang. »Was übrigens die Besetzung der Rolle des Vespasian anlangt«, wirft er schließlich den noch immer zögernden Herren hin, »so werde ich Ihnen im Lauf des Tages Vorschläge machen lassen.«
Und dann, endlich, ist er allein. Er lehnt zurück, schließt die Augen, das breite, runde Gesicht erschlafft. In einer Viertelstunde wird Bübchen dasein, Domitian, sein Bruder. Es wird keine angenehme Auseinandersetzung werden. Titus ist ehrlich willens, Bübchen entgegenzukommen; aber gerade daß der Junge das weiß, das macht ihn so arrogant.
Der neue Kaiser hat die Augen geöffnet, schaut mit fast dümmlich träumerischem Blick vor sich hin, die Lippen wie die eines schmollenden Kindes vorgeschoben. Noch fünf Minuten. Er ist schrecklich müde. Soll er im Hausrock bleiben, wie er ist? Bübchen wird sicher in voller Gala auftreten. Was immer er tut, Bübchen wird es als Kränkung empfinden. Empfängt er ihn in der Tracht des Kaisers, dann ist es herausfordernd, empfängt er ihn im Hausanzug, ist es Nichtachtung. Er bleibt, wie er ist.
Die wachhabenden Offiziere draußen erweisen klirrend die Ehrenbezeigung: Domitian kommt. Wahrhaftig, er ist in voller Uniform. Titus erhebt sich, geht dem zwölf Jahre Jüngeren höflich entgegen. Beschaut ihn aufmerksam wie einen Fremden. Bübchen sieht eigentlich besser aus als er selber. Das Gesicht ist weniger fleischig, er ist größer. Die Arme freilich hält er sonderbar eckig nach unten. Aber sonst ist die Haltung gut, er wirkt kräftig, jünglinghaft. Nur an der aufgeworfenen Oberlippe, findet Titus, erkennt man die Arroganz.
»Guten Tag, Bübchen«, sagt Titus und küßt ihn, wie es die Sitte verlangt. Domitian läßt es sich kalt gefallen. Er kann aber nicht verhindern, daß sein hübsches Gesicht sich rötet. Auch schwitzt er. Titus konstatiert es mit Genugtuung. Das kommt davon, daß er sich bei der Hitze so schwer und offiziell angezogen hat.
Es ist nicht nur die Hitze, die Domitian bedrückt. Für ihn hängt von dieser Unterredung mehr ab als für den Bruder. Er ist allerdings gut vorbereitet. Der Senator Marull, dem alten Kaiser von jeher abgeneigt und deshalb sein, des Domitian, Freund, hat sich seit seiner Degradierung ihm noch enger angeschlossen, und mit diesem höllisch klugen Berater hat er die Situation genau durchgesprochen. Die Sache liegt so. Der Alte hat ihn nicht gemocht, und dieser da mag ihn ebensowenig. Am liebsten hätten sie sich seiner entledigt. Titus könnte es auch ohne weiteres, er hat die Macht dazu. Aber er wird es nicht tun, Marull hat ihm das schlagend bewiesen. Im Gegenteil, Titus wird ihm im Lauf dieser Unterredung allerhand Konzessionen anbieten. Denn für Titus bedeutet die Dynastie den Sinn seines Lebens, und auf ihm, auf Domitian, steht die Dynastie. Titus hat zwar seine Tochter Julia, aber, und wenn er sich noch tausend Frauen ins Bett holt, er hat keine Hoffnung mehr, noch einen Sohn zu zeugen.
Domitian zögert, bevor er zu sprechen anfängt. Er ist willens, scharfe, heftige Dinge zu sagen, legt aber Gewicht auf Höflichkeit der Form. Auch weiß er, daß sich in der Erregung, wenn er laut wird, seine Stimme leicht überschlägt, darum will er ruhig bleiben, leise. Er verzeihe dem Bruder, sagt er endlich, daß der ihm nicht schon heute die Titel gegeben habe, die ihm zukämen. Daran müsse man sich wohl
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