Die Söhne.
Ihnen verzeihen, wenn es auch eine römische Kaiserin gibt. Vielleicht wird man Ihre Berenike neben meiner Lucia ertragen. Sie sehen, nüchternste Vernunft verlangt, daß Sie mich zumindest zum Mitregenten machen.«
Das ist richtig. Die Dynastie ist unpopulär. Berenike wird Anstoß erregen. Und mit Lucia, Bübchens Frau, der Tochter des überaus populären Feldmarschalls Corbulo, kann man sich sehen lassen, Rom liebt sie. Aber hat Titus nicht Zeit? Hat er nicht die Armee hinter sich? Wenn man ihm nur Zeit läßt, dann schluckt die Masse am Ende alles. Immerhin, gerade weil dieses Argument Domitians das erste ist, das Sinn hat, ärgert es ihn. Mit harten, engen Augen sieht er auf den Bruder, sein rundes, offenes Gesicht ist jetzt sehr rot. »Laß das meine Sorge sein«, herrscht er ihn an. »Glaube mir, ich werde Maßnahmen treffen, die mir Popularität unter allen Umständen sichern.«
Domitian, leidend unter dem Geschmetter, zuckt sichtlich zusammen, ist eingeschüchtert. »Aber vielleicht gestatten Sie, daß ich an Vaters Beerdigung teilnehme«, sagt er mit gefärbter Demut. »Was heißt das?« ärgert sich Titus. »Natürlich wirst du neben mir gehen hinter der Bahre.« – »Das ist freundlich von Ihnen«, bedankt sich immer mit der gleichen gefärbten Demut Domitian. »Und haben Sie auch angeordnet, daß die Beutestücke aus dem Jüdischen Triumph mitgeführt werden?« erkundigt er sich besorgt. Diese Frage ist hinterhältig. Denn man führt im Leichenzug das mit, was an die Leistungen des Toten erinnert; die Beute aber des jüdischen Krieges ist von Titus errungen worden, nicht von Vespasian.
Titus stand jetzt am Schreibtisch. Er war ein gutes Stück kleiner als der Bruder, aber nun war auch er gereizt, und er schaute so verächtlich auf Bübchen, daß der den Blick nicht aushielt. Titus dachte an den Toten, der unten in der Halle lag, im Purpur des Triumphators; an seinem Prunkbett aber zogen die Römer vorbei, in endlosem Zug. Was der also wohl, was der Vater dem Früchtchen geantwortet hätte, bedachte Titus. Und er fand die Antwort. »Man hat mir deine Rechnungen auf den Tisch gelegt«, sagte er kalt, sachlich. »Allein auf der Domäne am Albanersee hast du eine Million zweihunderttausend neue Schulden. Hat in Vaters verlorenem Testament auch was über deine Schulden gestanden?« Domitian schluckte. Der Vater hatte ihn immer knapp gehalten, so daß er die Villa und das Theater am Albanersee, die Prunkbauten, die er für Lucia begonnen hatte, in den Anfängen hatte steckenlassen müssen. »Wollen wir nicht endlich ernsthaft reden?« begann von neuem, veränderten Tones Titus. »Ich will Frieden mit dir, ich will Freundschaft. Du sollst Geld haben, du sollst auf der Domäne bauen können, du sollst für Lucia haben, was du willst. Aber nimm Vernunft an. Gib Frieden.«
Domitian ist stark gelockt. Aber er weiß, Titus braucht ihn, auf ihm steht die Dynastie, Marull hat ihm versichert, er könne viel mehr aus ihm herauspressen. »Bedenken Sie, bitte«, erwidert er, »daß mir rechtens der Erdkreis gehört. Würden Sie sich an meiner Stelle mit einer Handvoll Sesterzien abspeisen lassen?« Titus, lächelnd, hat eine Anweisung geschrieben und eine Quittung. »Willst du das Geld, oder willst du es nicht?« fragt er. »Natürlich will ich das Geld«, mault stirnrunzelnd Bübchen, unterschreibt die Quittung und schiebt die Anweisung in den breiten Purpursaum seines Galakleides.
Titus fühlt sich erschöpft. Die ganzen letzten Jahre stak diese Müdigkeit in ihm. Er hat so lange auf die Herrschaft gewartet. Oft hat er mit dem Gedanken gespielt, sie mit Gewalt an sich zu reißen, es hat Überwindung gekostet, zu warten, er war klug, er hat sich überwunden. Er hat gehofft, wenn er erst nach Recht und Gesetz Herr der Welt sein wird, dann wird seine Müdigkeit vorbei sein, dann wird ein großes Glücksgefühl sie wegschwemmen. Und nun ist es soweit, nun liegt der Alte unten in der Halle. Aber die Müdigkeit ist nicht fort, nach wie vor füllt eine tiefe Gleichgültigkeit ihn an; dieses erste Erreichnis erwies sich als eine Enttäuschung. Jetzt hat die ganze Welt nur noch zwei Lockungen für ihn. Mit Berenike zusammen zu sein, mit Nikion, verknüpft, für immer, ist die eine. Die andere ist, diesen hier zu gewinnen, den Bruder. Sollte er wirklich nicht fähig sein, das zu erreichen? Er hat die Armee herumgekriegt, hat bewirkt, daß selbst sein nüchterner, zugesperrter Vater auf seine Art ihm
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