Die Söhne.
erst gewöhnen.
Titus, aus engen, nach innen gerichteten Augen, schaut dem
Domitian aufmerksam auf den Mund. »Willst du mir nicht erklären, welche Titel?« fragt er, ehrlich verwundert.
Er sei überzeugt, erwidert Domitian, der Mann, dessen Leiche unten in der Halle aufgebahrt sei, habe ihn zum Alleinerben eingesetzt. Er habe oft mit ihm darüber gesprochen, und er wisse genau, das Schriftstück sei auch ausgefertigt worden. Lediglich damit dieses Testament nicht an den Tag komme, habe Titus ihn vom Sterbelager des Vaters ferngehalten. Er bringt das mit leiser Stimme vor, errötend, manchmal ein wenig stotternd, mit sehr höflichen Gebärden.
Titus hört ihn an, immer ruhig und aufmerksam; ja er macht sich sogar Notizen, stenographiert, wie es seine Gewohnheit ist, einige Sätze mit. Da Domitian lange nicht zu Ende kommt, wischt er mechanisch mit dem Schreibgriffel wieder aus, was er sich notiert hat, glättet das Wachs. »Hör einmal, Bübchen«, redet er dem Domitian, wie der endlich fertig ist, freundlich zu, »ich habe dich zu mir bitten lassen, um mich mit dir offen auszusprechen. Wollen wir nicht wie vernünftige, erwachsene Männer miteinander reden?« Er ist fest entschlossen, auf den Unsinn nicht einzugehen, den der Bruder vorgebracht hat. Trotzdem, gegen seinen Willen, hat auch er sich gerötet. Das haben sie von der Mutter, daß sie ihre Erregung nicht verbergen können.
Domitian hat mit ängstlicher Spannung gewartet, wie Titus seine Frechheit aufnehmen werde. Er hatte gefürchtet, Titus werde mit schmetternder Stimme gegen ihn loslegen, und dieses soldatische Schmettern machte ihn immer nervös und schüchtern. Daß der Bruder leise blieb, war ihm eine Bestätigung. Die Methode, die Marull ihm angeraten hatte, war schon die rechte. Er habe es für seine Pflicht gehalten, fuhr er also fort, immer mit der gleichen Höflichkeit, den Bruder über seinen Standpunkt nicht im unklaren zu lassen. Er werde auch vor Dritten mit seiner Meinung über das beseitigte Testament nicht zurückhalten. Wenn anders Titus Schwierigkeiten vermeiden wolle, dann möge er ihm zumindest die Mitregentschaft einräumen.
Titus ist müde. Wozu das lange, unnütze Gerede? Es gibt soviel zu tun. Die Minister verlangen Entscheidungen, der Senat, die Generäle, die Gouverneure der Provinzen. Die Zeremonien der Trauerwoche, die Vorbereitungen der Leichenfeier sind anstrengend, zeitraubend. Begreift Bübchen wirklich nicht, daß er den aufrichtigen Wunsch hat, sich mit ihm zu verständigen? Ach, wie gerne würde er ihn an der Herrschaft teilnehmen lassen. Aber es ist leider unmöglich, mit ihm zusammenzuarbeiten. Bübchen ist so heftig und von so böser Art, daß er binnen drei Wochen zerschlüge, was man in der mühevollen Arbeit von zehn Jahren aufgebaut hat.
Domitians Augen sind jetzt auf dem Bild, auf dem großen Bild der Berenike. Titus habe einigen Grund, meint er, immer mit der gleichen, höflichen Tücke, sich gut mit ihm zu stellen. Er werde es nicht leicht haben, die Dame gegen Senat und Volk durchzusetzen. Ohne dem Bruder zu nahe zu treten, glaube er, daß er selber sich bei den Römern größerer Popularität erfreue. Er gestatte sich, daran zu erinnern, daß sie vermutlich nicht hier säßen, wenn nicht seinerzeit er, Domitian, die Stadt gehalten hätte.
Titus hörte sich das wilde, phantastische Gerede aufmerksam an. Richtig daran ist nur so viel, daß vor zehn Jahren, als er und Vespasian noch mit dem Heer im Osten standen, Bübchen sich in Verkleidung aus dem belagerten Capitol gerettet hat. »Darf ich dich fragen«, erwidert er, und jetzt ist in seiner Stimme jenes Schmettern, das Domitian nicht liebt, »was deine damalige Flucht aus dem Capitol mit Berenike zu tun hat?«
Bübchen errötet tief. Es ist Marull, der ihm empfohlen hat, sowie es brenzlig wird, Berenikes Namen zu nennen, an diesen wunden Punkt des Titus zu rühren. Im übrigen fühlt er sich in der Sache mit der Jüdin im Recht, hier ist er der Sachwalter Roms. Natürlich kann Titus mit seiner Berenike schlafen, sooft es ihm Spaß macht. Aber daß die Beziehungen des Bruders zu der Jüdin so öffentlich sind, das gibt Ärgernis, und die Dynastie, gerade weil sie jung ist, muß darauf achten, Skandal zu vermeiden. Lange und ausdrucksvoll beschaut er das Bild. Dann, noch höflicher und zeremoniöser als vorher, führt er aus: »Sie werden eine jüdische Kaiserin nicht durchsetzen können, Bruder. Vielleicht wird man sie
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