Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
viel weniger geworden. »Gau der Heiden« bedeutete der Name des Landes, denn es war spät unter jüdische Botmäßigkeit gekommen, und Flavius Silva hatte das Seine dazu getan, diesem Namen wieder Inhalt zu geben. Das Land war romanisiert. Ein dichtes Netz ausgezeichneter Straßen verband seine vielen Siedlungen untereinander, römische Straßen, gesäumt von Standbildern, die dem Merkur geweiht waren, dem Gotte des Verkehrs. Noch immer arbeitete man am Ausbau dieser Straßen, und man verwandte für dieses saure Werk vornehmlich jüdische Zwangsarbeiter, Restbestände aus der Kriegsbeute. Der Gouverneur, wie der Oberingenieur dem Josef auseinandersetzte, erwartete, die jüdischen Gemeinden würden sich noch eifriger bemühen, die Gelder für den Freikauf dieser Leibeigenen aufzubringen, wenn sie sahen, daß man sie nicht verhätschelte. Die Lösegelder deckten denn auch reichlich die Kosten, die Bau und Erhaltung der Straßen verursachten.
      Josef zog also auf diesen guten Straßen im Land herum, auf gemieteten Pferden oder Eseln. Er verschwieg seinen Namen; der hatte keinen guten Klang hier. Durch diese Gegend war er vor dreizehn Jahren geritten, auf dem Pferde Pfeil, vor ihm die Standarte mit der Losung der Aufständischen »Makkabi«. Hier hatte er seinen herrlichen und sinnlosen Krieg gemacht. Jetzt war alles vorbei, seine Glorie und sein Fall, keine Spuren des Krieges mehr waren zu sehen. Die zerstörten Städte und Festungen hatte man schöner wieder aufgebaut, ein kluges Bewässerungssystem machte das Land noch fruchtbarer als vor dem Krieg. Sonst hatte Josef nicht viel Auge für die Schönheit einer Landschaft, doch diese bezauberte ihn immer von neuem. Es war der Gau der Heiden, Galiläa, aber trotzdem jüdisches Land, sein Land, Heimat, leuchtende, süße, duftende. Gierig genoß er die reine Luft, das milde, klare Licht.
      Mit zwiespältigem Gefühl, mit Grimm und Befriedigung, sah er, wie gut das Land verwaltet war. Die Methoden der Romanisierung waren listig und simpel, und die römischen Beamten, die er aufsuchte, machten kein Hehl daraus: die Regierung verlieh einfach den Städten mit griechischrömischer Majorität Kolonialrecht. Durch die damit verbundenen Steuerermäßigungen und andere Privilegien erlangten diese Gemeinden schnell größere Prosperität als die jüdischen Siedlungen, und die Juden wurden so zu Bürgern zweiten Ranges in ihrem eigenen Land.
      Gleichwohl ging es den Juden Galiläas nach der Niederlage wirtschaftlich besser als vorher. Die Römer waren gute Organisatoren. Waren die Juden also zufriedener? Wenn Josef Doktoren und Gemeindevorsteher aufsuchte, bekam er selten Bescheid; die meisten von ihnen hielten die sieben Schritte Abstand und weigerten sich, mit ihm zu reden. Aber kleine Leute, mit denen er sich in Unterhaltungen einließ, Zufallsbekannte, Herbergswirte, sagten gern ihre Meinung geschwätzig und ohne Rückhalt heraus. Sie gaben zu, daß die Römer das Land nicht schlecht verwalteten, aber sie haßten sie trotzdem. Die Fremden blieben ihnen unverständlich. Die Leute, die sich hier neu ansiedelten, Veteranen zumeist, denen man das Land umsonst anwies, oder syrische Kapitalisten, die die Terrains billig erwarben, hatten keinen Gott und liebten es nicht, sich über göttliche Dinge zu unterhalten. Sie hatten Technik, aber sie hatten keine Seele. Josef dachte mit Hohn und Triumph an die Statistiken des Johann von Gischala. Die neuen Herren verschafften den Juden Galiläas Preise, die sie mehr befriedigten; dennoch zogen sie ihre früheren, eigenen, habgierigen Herren den besseren von heute vor.
      Hatten sie freilich Vertrauen gefaßt, und ließen sie sich gehen, dann stöhnten sie über die Härte ihrer geistigen Machthaber von heute, der Doktoren von Jabne. Ihr Gesetz war streng, ihre Gerichte ahndeten peinlich jeden Verstoß. Man will an dem Glauben der Väter festhalten, aber die Herren in Jabne machen es einem höllisch hart. Sie erschweren einem Wirtschaft und Leben. Dazu sind sie hochmütig, sehen herab auf den gemeinen Mann, lassen ihn nicht teilhaben an der Lehre.
      Josef nahm wahr, daß die patriotische Strenge und der Gelehrtendünkel der Doktoren ziemlich viele unter den Galiläern dem Glauben der Minäer, der sogenannten Christen, zutrieb.
      Er zog hin und her im Land und suchte sich, Historiker, der er war, Auskunft über den Mann zu verschaffen, den diese Minäer als ihren Messias verehrten. Er glaubte Kunde zu haben von denen, die man im

Weitere Kostenlose Bücher